aktBuerg

Aktive Bürger =
Starke Kommunen

In den letzten Jahren ist in Hessen ein beispielhaftes Netz von bürgerschaftlichen Initiativen entstanden. In Zeiten immer knapper werdender öffentlicher Haushaltsmittel haben die Bürgerinnen und Bürger die Notwendigkeit erkannt, in ihrer Kommune selbst "mit anzupacken".
In Hessen sind rund 2 Millionen Menschen ehrenamtlich tätig. Neben der freiwilligen Feuerwehr engagieren sich die Bürgerinnen und Bürger in Vereinen und Organisationen im sozialen, kulturellen und sportlichen Bereich. Viele Menschen wollen sich allerdings nicht mehr in fest gefügten Strukturen engagieren. Sie wollen vielmehr punktuell und auf Zeit mitarbeiten.
Der Hessische Städte- und Gemeindebund möchte das in den Mitgliedskommunen bereits vorhandene bürgerschaftliche Engagement bekannt machen und den Anstoß, aber auch Unterstützung geben, dass in möglichst vielen Gemeinden und Städten der freiwillige Einsatz der Bürger gefördert wird.

Aktive Bürger

Eine Zukunft für Mengerskirchen

Mit dem „Zukunftsforum Mengerskirchen" will sich der Marktflecken Mengerskirchen gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern zukünftigen An- und Herausforderungen durch den demografischen Wandel stellen.

 

Gruppenfoto vor dem Gründerzentrum in Mengerskirchen
Unternehmer besuchen das Gründerzentrum Westerwald

Im östlichen Westerwald liegt der Marktflecken Mengerskirchen. Die Gemeinde mit 6.000 Einwohnern hat fünf Ortsteile: Dillhausen, Mengerskirchen, Probbach, Waldernbach und Winkels. Der Marktflecken gehört zum Landkreis Limburg-Weilburg. Eine älter werdende Bevölkerung, die Abwanderung junger Menschen in die Städte und die langsame Auflösung gewachsener familiärer Strukturen:  die ländlich geprägte Gemeinde hat – wie viele andere vergleichbare Kommunen - mit den Herausforderungen des ländlichen Raums zu kämpfen. Die ungünstigen Bevölkerungsprognosen werden hier aber nicht einfach hingenommen. Mit einem Zukunftsforum ist es Mengerskirchen gelungen, wichtige Akzente dem demografischen Wandel entgegen zu setzen.

Ausgangspunkt war eine Initiative des Hessischen Städte- und Gemeindebundes und der TransMIT-Technologiegesellschaft, bei der Prof. Dr. Wolfgang George das Instrument einer „Vitalisierungsanalyse“ für Gemeinden vorgestellt hat. Bürgermeister Thomas Scholz aus Mengerskirchen sah in dem Angebot eine willkommene Gelegenheit, gemeinsam mit Bürgerschaft, der Kommunalpolitik, mit den Vereinen und dem Gewerbe vor Ort nach Chancen für den Marktflecken zu suchen.

Gemeinden, die versuchen entgegen dem allgemeinen Trend junge Unternehmen, Existenzgründer und Familien anzusiedeln, brauchen eine Analyse ihrer regionalen und lokalen Entwicklungsmöglichkeiten. Hier setzte das „Zukunftsforum Mengerskirchen“ 2014 und 2015 an. Unter großer Beteiligung der Bevölkerung, der Politik und der Medien fanden die ersten Workshops statt, mit denen die Grundlagen für zunächst vier Projekte gelegt wurden: Das Gründungszentrum Westerwald, die Verbesserung der Pflege und Gesundheitssituation vor Ort, die Regionalvermarktung sowie ein Arbeits- und Wohnprojekt zur Inklusion von Menschen mit Handicaps.

Begleitet werden diese Projekte mit sogenannten Zukunftsgesprächen, einem Format der Öffentlichkeitsarbeit, um Anliegen und Ergebnisse der Projekte in die Breite zu tragen. Die Politik vor Ort musste überzeugt werden. Für Bürgermeister Scholz war es wichtig, dass sich Kommunalpolitikerinnen und –politiker in den Workshops des Zukunftsforums mit engagiert haben. Zudem betont er die Dezentralität des Projektansatzes: Die Bausteine des Zukunftsforums werden jeweils in den verschiedenen Ortsteilen realisiert. 

Existenzgründung im ländlichen Raum

Für das Gründerzentrum Westerwald wurde von den Akteuren eine Alt-Immobilie in der Ortschaft Mengerskirchen ausgesucht. Bewusst wurde nicht auf der grünen Wiese ein entsprechendes Zentrum errichtet, sondern ein Areal instandgesetzt, das es erlaubt, eine Mischung von Produktion, Handel und Lager im Ort zu realisieren. Flexibilität ist der große Vorteil der vorhandenen Immobilie, denn durch verschiebbare Wandelemente können Büro und Lagerräume den sich verändernden Bedürfnissen der Gründer angepasst werden. Die Gemeinde konnte etablierte Unternehmen gewinnen, die in das Gründerzentrum mit eingestiegen sind und den neuen gewerblichen Initiativen eine Starthilfe geben.

In kurzer Zeit gelang es für ansiedlungsbereite Existenzgründer, Unternehmer und Freiberufler, Räumlichkeiten mit der verbundenen technischen Infrastruktur bereitzustellen und fachliche Unterstützung zu organisieren. Eingeplant wurden im sogenannten BackOffice Bereich Besprechungsräume, die von allen Unternehmen gemeinsam genutzt werden.

Insgesamt 5500 Quadratmeter Betriebsfläche stehen den Unternehmen auf zwei Etagen zur Verfügung, für Büros, Werkstätten und Produktion. Es gibt zudem Breitbandanschluss und Gebäudemanagement. Insgesamt 20 Unternehmen und Betriebe sind inzwischen in der Poststraße in Mengerskirchen ansässig, weitere werden folgen. 

Pflege und Gesundheit

Die Stärke des Zukunftsforums ist es, Bürgerinnen und Bürger zu ganz verschiedenen Themen und Anliegen zusammen zu führen. So ist Zukunftsprojekt die künftige neue Mitte in Mengerskirchen. Ausgangspunkt war der Wunsch des Betreibers eines Seniorenzentrums, sein Gebäude um 40 Wohneinheiten zu vergrößern und somit die Pflegekapazität zu verdoppeln. Für die Zukunft von Mengerskirchen ist es wichtig, dass im Altbau des Pflegeheims ein neuer Allgemeinmediziner seine Praxis eröffnen wird. Die vorhandene Arztpraxis wurde aus Altersgründen geschlossen. Mit dem Erwerb eines entsprechenden Arztsitzes will Mengerskirchen in der Mitte der Gemeinde ein lokales Gesundheitszentrum gründen.

Auch der benachbarte konfessionelle Kindergarten wird dauerhaft erweitert. Wichtig ist für die Mengerskircher Planer, dass Begegnungsräume zwischen Kindern und älteren Mitbürgern entstehen. Ein geplanter Mehrgenerationenpark soll für alle Bürgerinnen und Bürger nutzbar sein. 

Käthchen’s Dorfladen

Im Ortsteil Dillhausen setzt der dritte Baustein des Zukunftsforums Mengerskirchen an. Mitten im Ort entwickeln die aktiven Bürger/innen in einem alten Fachwerkhaus den Dorfladen mit seinen Aktivitäten. Da im Ort kein Geschäft mehr vorhanden war, hat die Bürgerstiftung Dillhausen, der Hauseigentümer des Fachwerkhauses, mit einem Dorfladen und einem Café einen wichtigen Treffpunkt für die Menschen vor Ort geschaffen. Käthchen’s Dorfladen ist einerseits ein Ort der Begegnung und schafft andererseits Einkaufsmöglichkeiten für Brot, Obst und Gemüse, Wurst und Käse und andere Artikel des täglichen Bedarfs. Jeden Mittwoch bietet der Dorfladen einen Mittagstisch an und ist insbesondere für ältere Bürgerinnen und Bürger des Ortsteils Dillhausen ein geschätztes Angebot. Brotbacken im Backhaus und ein großer attraktiver Herbstmarkt runden die Aktivitäten ab. 

Mittendrin für alle

Sollen Dörfer nicht nur für Junge und Alte, Kranke und Gesunde Heimat bleiben oder werden? Ist es nicht ein gutes Gefühl in eine dörfliche Gemeinschaft eingebettet zu sein und auf Nachbarschaftshilfe vertrauen zu können? Von diesen Fragen hat sich der Verein „Mittendrin für alle“ im Mengerskirchener Dorf Waldernbach leiten lassen. In unmittelbarer Nähe zu wichtigen Einrichtungen wie einer Sportstätte, einem Lebensmittelgeschäft, der Kirche, der Gastronomie und einem Dorfgemeinschaftshaus stehen zwei alte baufällige Gebäude leer. Ein Abriss ist notwendig. Das Grundstück wurde von der Gemeinde erworben. Mit dem geplanten Neubau erhält das Dorf einen neuen Mittelpunkt im Ortskern. Das ambitionierte Projekt „Inklusionshaus Dorfmitte“ bündelt Themen wie Wohnen, Pflege, Betreuung und Arbeit. Entstehen sollen eine ambulant betreute Wohngruppe für Menschen mit Handicap und neun weitere Wohnappartements. Neben der Schaffung von Wohnraum ist auch ein Gewerbebereich mit einer Werkstatt geplant. Hier hat die Gemeinde bereits mit der Lebenshilfe Wetzlar-Weilburg eine Zusammenarbeit vereinbart. Ein weiterer Schwerpunkt des Projektes ist das seniorengerechte Wohnen auf dem Areal.

Getragen wird das Vorhaben von Bürgerinnen und Bürgern in einem Verein. Vermieter ist eine eigens gegründete Wohnbaugenossenschaft. In Waldernbach existiert schon das Familienzentrum „Alte Schule“, ein Ort der Begegnung und ein Raum für Veranstaltungen rund um Bildung, Erziehung und Gesundheit. Das geplante Inklusionshaus soll dann unmittelbar mit dem bereits bestehenden Familienzentrum verbunden werden.

Ausblick

Noch nicht in der Umsetzung ist ein Vorhaben für Frauenbeschäftigung im Ortsteil Winkels. Hier soll es künftig Frauen ermöglicht werden, eine Beschäftigung in der ländlichen Region zu finden.

Das Zukunftsforum Mengerskirchen fußt auf der Arbeit der verschiedenen Projektgruppen. Die örtliche Zuordnung der Projektgruppen auf die Ortsteile basiert im Wesentlichen auf schon bereits gewachsenen Strukturen (Räumlichkeiten, örtlich ansässige Experten) und dient der Einbindung der Ortsteile als Zeichen der innerkommunalen Verbundenheit. Dies zeigt sich auch darin, dass die Mitwirkenden in den Projektgruppen aus den verschiedenen Ortsteilen kommen, so dass ein kleines Netzwerk in der Gesamtgemeinde entstanden ist. Zurzeit sind rund 60 Personen aller Altersgruppen in unterschiedlicher Zusammensetzung ehrenamtlich aktiv, die in regelmäßigen Treffen die Realisierung der Projekte vorantreiben.

Für Bürgermeister Thomas Scholz macht den Erfolg des Zukunftsforums aus, dass die verschiedenen Projekte passgenau auf die Interessenlagen der aktiven Bürgerinnen und Bürger vor Ort abgestellt sind. Überhaupt sei in der Gemeinde ein starkes bürgerschaftliches Engagement schon seit langem ein Pfund, mit dem die Gemeinde Mengerskirchen wuchern kann. Zudem macht der Bürgermeister deutlich, dass die verschiedenen Projekte natürlich auch Geld kosten - jenseits des bewundernswerten Engagements der Beteiligten. Aber jeder investierte Euro erlebe eine gute Verzinsung für die Zukunft, so der Bürgermeister.