Mengerskirchen – ohne Barrieren
Der Marktflecken Mengerskirchen liegt im Landkreis Limburg-Weilburg. Die Großgemeinde ist ein Ergebnis der kommunalen Gebietsreform 1970, bei der die die bis dahin selbständigen Gemeinden Dillhausen, Probbach, Waldernbach und Winkels in die Gemeinde Mengerskirchen eingegliedert wurden. Obwohl die Großgemeinde jung ist, haben ihre Orte eine weit zurückliegende mittelalterliche Geschichte. Schon 1481 stellte Kaiser Friedrich III. ein Privileg für einen Jahrmarkt aus, der bei Mengerskirchen abgehalten werden durfte.
So ist es nicht verwunderlich, dass die Gemeindeverwaltung von Mengerskirchen in einer Burg aus dem 14. Jahrhundert residiert. Der Marktflecken pflegt aber nicht nur die Zeugnisse der alten Geschichte, sondern ist auch für Gegenwart und Zukunft der Gemeinde aktiv.
Wie viele andere Gemeinden ist auch in Mengerskirchen die Veränderung der Alterspyramide spürbar. Immer mehr Seniorinnen und Senioren leben in der Großgemeinde, die heute rund 6000 Einwohner zählt. Wie sieht das Leben und die Mobilität für Menschen im dritten Lebensalter aus? Eine aktive Seniorenarbeit des Marktfleckens obliegt den Mitarbeiterinnen im Familien-, Jugend- und Seniorenbüro der Gemeinde. Hier laufen die Planung, Organisation und Durchführung offener Freizeit und Kulturangebote (Seniorenfahrten, Seniorennachmittage, Seniorengymnastik, Seniorentanz, etc.). Darüber hinaus unterstützen die Mitarbeiterinnen des Seniorenbüros die ehrenamtlich tätigen Kräfte in der Seniorenarbeit, beraten ältere Menschen und vermitteln Hilfsangebote in verschieden Fragestellungen wie die Wohnberatung oder bei der Patientenverfügung. Das Seniorenbüro der Gemeinde kooperiert dabei eng mit Institutionen und Bürgerinnen und Bürgern innerhalb und außerhalb des Marktfleckens.
Wohnen und Leben 2020
Im Jahr 2008 wurde der Arbeitskreis „Wohnen und Leben 2020“ ins Leben gerufen. In ihm waren engagierte Bürgerinnen und Bürger sowie Mandatsträger unterschiedlicher politischer Richtungen vertreten. Der Arbeitskreis hatte aufgrund einer Befragung unter Mengerskirchener Senioren eine Prioritätenliste für seine Aktivitäten erarbeitet. Der größte Wunsch war es, im Alter in der gewohnten Umgebung wohnen bleiben zu können. Die nötige Wohnraumanpassung in der Großgemeinde bekam erste Priorität. Hier arbeitete der Arbeitskreis eng mit der Wohnberatung des Landkreises Limburg-Weilburg zusammen. In Fachvorträgen wurden die Senioren über mögliche Veränderungen ihrer Wohnungen informiert. Im Juni 2010 organisierte der Arbeitskreis schließlich eine Ausstellung zum Thema „Wohnung gestalten - Wohnung erhalten“.
Im Rahmen dieser Arbeit ist das Profil einer gemeindlichen „Seniorenberaterin“ entstanden, mit dem Ziel, aktiv auf die älteren Menschen zuzugehen.
Die Seniorenberaterin macht Hausbesuche und informiert ältere Menschen und ihre Angehörigen auf Anfrage über Pflegeleistungen, Haushaltshilfen und Unterstützungsmöglichkeiten in Mengerskirchen. Die Stelle ist mit der ehemaligen Leiterin der Caritassozialstation im Ort besetzt und wird aus Haushaltsmitteln der Gemeinde finanziert.
Aktiver Seniorenbeirat
Indes ist der „Arbeitskreis Wohnen und Leben 2020“ in eine Initiativgruppe für einen Seniorenbeirat in Mengerskirchen übergegangen. Formal wurde der Beirat im März 2012 gegründet und hat in den zwei Jahren seiner Existenz eine beachtliche Aktivität entwickelt. Das von den Seniorinnen und Senioren gewählte Gremium ist mit sechs Damen und Herren besetzt, die aus den fünf Ortsteilen kommen. Nachdem eine Geschäftsordnung ausgearbeitet und das Selbstverständnis als politisches Organ der Gemeinde geklärt worden ist, wurde der Beirat schnell aktiv. So wirkte er mit bei der Erarbeitung einer neuen Friedhofssatzung mit und hatte hier besonders mögliche Barrieren für ältere Besucherinnen und Besucher im Blick, die mit einer Gehhilfe Gräber erreichen wollen. Die Barrierefreiheit war auch bei den Zugängen zum neuen Supermarkt in Mengerskirchen wichtig und zum Bürgerhaus im Schloss. Aktuell bei der Aufnahme von Flüchtlingen hat der Seniorenbeirat seine Unterstützung ebenso zugesagt wie bei dem brisanten Thema der häuslichen Pflege, bei dem die Vertretung eine Bestandsaufnahme in der Großgemeinde initiieren will.
Vor allem aber sammeln die Mitglieder des Seniorenbeirates Informationen zum demografischen Wandel, zur Zukunft der Nahversorgung oder zu neuen mobilen Dienstleistungsangeboten vor Ort (Bank- und Postmobile, etc.). Hier geht es um die Nutzungsmöglichkeiten in den Ortsteilen, um barrierefreie Zugänge und vieles mehr.
Anlaufstelle fürs Ehrenamt
In der „Alten Schule“ in Waldernbach ist in den letzten Jahren ein Ort der Begegnung für alle Bürger des Marktfleckens Mengerskirchen entstanden. Hier gibt es unter einem Dach zahlreiche Angebote rund um Bildung, Erziehung und Gesundheit. Unter anderem ist hier auch die Ehrenamtsbörse der Gemeinde ansässig. Einkäufe, Arztbesuche, Familien-angelegenheiten – rund 50 Bürgerinnen und Bürger stellen sich zur Verfügung für kleine Dienste und Begleitungen mit dem eigenen Fahrzeug.
Aufgrund der verstreuten Lage der fünf Ortsteile haben ältere Menschen in ihrer Mobilität mitunter Probleme. So ist es nicht verwunderlich, dass in der Ehrenamtsbörse vor allem Fahrdienste gewünscht werden. Den gewerblichen Taxi-Anbietern wird die Kundschaft nicht weggenommen, die Börse vermittelt vor allem da, wo Menschen nicht das Geld haben, diese Leistungen zu bezahlen.
Bildungsforum Mengerskirchen
Nicht nur Treppen oder weite Entfernungen können Barrieren sein. Auch im übertragenen Sinn haben viele Kinder und Jugendliche Hindernisse in ihrer Bildungsbiografie zu überwinden. In Mengerskirchen haben sich alle an Bildung und Erziehung beteiligten Institutionen zu einem Netzwerk zusammengeschlossen, das nun in vielen Bereichen aktiv für einen besseren Zugang und eine optimale Begleitung von Kindern und Jugendlichen sorgt. Der besondere Fokus liegt auf der Begleitung junger Menschen bei den verschiedenen Übergängen, von der Kita in die Grundschule, von der Grundschule in die weiterführende Schule, dann beim Wechsel in Ausbildung oder Studium. Dabei sind Lehrer/innen und Erzieherinnen untereinander und mit den Eltern der Jugendlichen im stetigen Austausch und Kontakt.
Dadurch entsteht ein frühzeitiges Warnsystem, Entwicklungsrisiken werden rechtzeitig erkannt, und es können früh präventive Maßnahmen ergriffen werden. Das Projekt fördert insgesamt die Familienfreundlichkeit und das Miteinander im Marktflecken. Konkret wird das in vielen Projekten deutlich, die im Bildungsforum ihren Ursprung nahmen, sei es bei Weltkindertagen, wo interkulturelle Kompetenz durch die Vorstellung von Lebensräumen in anderen Kontinenten vorgestellt werden, oder bei der Planung eines Spielplatzes für Kinder, Eltern und Großeltern.
Lebensraum Spielplatz
Engagierte Mütter im Ortsteil Winkels erstellten eine Vorplanung eines naturnahen Spielplatzes und zogen einen Planer hinzu. Die Gemeinde stellte ein passendes Grundstück zur Verfügung und ließ es vom Bauhof vorbereiten. Die Arbeiter warfen Erdhügel auf, rodeten und modellierten. Palisaden wurden gesetzt, ein Holzhaus aufgebaut. Der Frauen- und Mütterverein und Nachbarn unterstützten die Arbeiten mit vollem Engagement. Von dieser Motivation der Ehrenamtlichen und der Gemeindemitarbeiter ließen sich viele weitere Eltern und Großeltern, Nachbarn und Freunde anstecken: Die Helferinnen und Helfer packten mit an, die Spielgeräte aufzustellen, gruben Löcher, setzten Bäume und Sträucher und säten den Rasen ein. Über 100 Mengerskirchener, unter ihnen 40 Kinder und Jugendliche, halfen mit beim Bau des neuen Spielplatzes.
Spektakulär war auch die Einrichtung eines Waveparks, für den ein Förderverein 89.000 Euro gesammelt hat. Ein Waveboard ist ein Skateboard-ähnliches Sportgerät, mit dem in gewissem Umfang das Fahrverhalten eines Snow- oder eines Surfboards auf Asphalt nachgeahmt werden kann. Der Park im Ortsteil Waldernbach wurde unter Beteiligung der Kinder und Jugendlichen als Spielpark für Alt und Jung konzipiert.
Für Bürgermeister Thomas Scholz ist für den Erfolg dieser Projekte ausschlaggebend, dass sich die Menschen mit ihren Interessen berührt zeigen. Die eigene Betroffenheit und die Kooperation mit anderen in zeitlichen und räumlichen Grenzen ist wichtig und … Geduld. „Viele dicke Bretter sind zu bohren!“ Jedes Projekt braucht seine Zeit. Viele der Mengerskirchener Projekte sind ausgezeichnet worden, unter anderem beim Wettbewerb „Deutschland - Land der Ideen“ und dem „Karl-Kübel Preis 2010“. Und der Erfolg wird dann zum Motor für neue Ideen und neue Projekte.