aktBuerg

Aktive Bürger =
Starke Kommunen

In den letzten Jahren ist in Hessen ein beispielhaftes Netz von bürgerschaftlichen Initiativen entstanden. In Zeiten immer knapper werdender öffentlicher Haushaltsmittel haben die Bürgerinnen und Bürger die Notwendigkeit erkannt, in ihrer Kommune selbst "mit anzupacken".
In Hessen sind rund 2 Millionen Menschen ehrenamtlich tätig. Neben der freiwilligen Feuerwehr engagieren sich die Bürgerinnen und Bürger in Vereinen und Organisationen im sozialen, kulturellen und sportlichen Bereich. Viele Menschen wollen sich allerdings nicht mehr in fest gefügten Strukturen engagieren. Sie wollen vielmehr punktuell und auf Zeit mitarbeiten.
Der Hessische Städte- und Gemeindebund möchte das in den Mitgliedskommunen bereits vorhandene bürgerschaftliche Engagement bekannt machen und den Anstoß, aber auch Unterstützung geben, dass in möglichst vielen Gemeinden und Städten der freiwillige Einsatz der Bürger gefördert wird.

Aktive Bürger

Spangenberg – Neues Leben in alten Gemäuern

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Die Stadt Spangenberg erhält ihr Trinkwasser durch eine gute Quelle, die auf einem gegenüberliegenden Berg liegt. Die Entstehung der Wasserleitung vom Berg in die Stadt  ist sagenumwoben: Ein Jüngling und ein Mädchen in der Stadt liebten sich herzlich, aber die Eltern wollten lange nicht der Heirat einwilligen. Endlich lenkten sie ein, aber nur unter der Bedingung, dass die Hochzeit erst dann gefeiert werden solle, wenn die zwei Liebenden Wasser aus einer  frischen Quelle am gegenüberliegenden Berg ganz allein herüber in die Stadt leiten würden. Dadurch würde Spangenberg Trinkwasser erhalten, woran sie bisher Mangel gelitten hatte. Da fingen die Liebenden  an, den Bach zu graben und arbeiteten ohne Unterlass. Sie haben 40 Jahre lang geschuftet. Als sie aber fertig waren, starben beide im selben Moment.

Die dramatisch endende Liebenbachsage, so wie sie die Gebrüder Grimm im deutschen Sagenschatz bewahrt haben, sagt etwas über die Zielstrebigkeit der Menschen in Spangenberg aus. Und sie sagt etwas über Mangel aus. War es früher das Wasser, so sind es heute die Finanzen. Spangenberg ist eine Kleinstadt im Nordosten von Hessen und steht unter dem Kommunalen Schutzschirm. Der Schwalm-Eder-Kreis ist besonders vom demografischen Wandel betroffen. Wenn die Kleinstadt auch  viele Arbeitsplätze zu bieten hat, so ist doch ihre wirtschaftliche Lage schon seit vielen Jahren schwierig.  Die wunderschönen Fachwerkhäuser der Liebenbachstadt kontrastieren mit leerstehenden Geschäften und Hotels.

Obwohl Spangenberg eine alte Stadt ist, 1309 verliehen die Herren von Treffurt der Stadt das Stadtrecht, so ist die Kommune in ihrer heutigen Ausdehnung ein Ergebnis der Verwaltungs- und Gebietsreform in Hessen in den Jahren 1970 bis 1974, als neben dem Kernort Spangenberg 12 Stadtteile hinzukamen.  Von ihrer Einwohnerzahl her ist Spangenberg klein (etwa 6200 Einwohner leben auf einer Gesamtfläche von 97,7 Quadratkilometern). Auch diese dünne Besiedlung ist für die kommunale Daseinsvorsorge eine echte Herausforderung.

Zukunftswerkstatt

Konzepte sind gefragt, bei solch schwierigen Rahmenbedingungen eine lebendige Kleinstadt zu erhalten. Die Stadtentwicklung wird in Spangenberg mit aktiven Bürgerinnen und Bürgern betrieben. "Wie wird Spangenberg im Hinblick auf Kinder und Jugendliche in 50 Jahren aussehen?" – das stand am Anfang einer Zukunftswerkstatt. Spangenberg soll attraktiver für Familien werden, um Leerständen entgegenzuwirken und Zuzüge generieren,  damit auch den örtlichen Unternehmen Arbeitskräfte gesichert werden.

Die Zukunftswerkstatt verbindet sehr unterschiedliche Akteure:  Manager von ortsansässigen Unternehmen, Vertretern der Region, Kindergarten- und Schulleitern, Jugendpflegern, Pfarrern, Vertretern der Feuerwehr und der Sportvereine, der Leitung des Altenheims, dem Bürgermeister, Elterninitiativen, sozialen Vereinen und anderer Gruppierungen. Der reine Fokus auf Kinder und Jugendliche wurde bald erweitert auf alle Bewohnergruppen der Kleinstadt und der umliegenden Dörfer, denn es wurde schnell klar: nur ein Netzwerk, das alle Gruppen einbindet, wird ein starkes Netzwerk, sichert alle Lebenslagen und ist attraktiv für alte und neue Bürger. Konkrete Projekte der Zukunftswerkstatt sind unter anderem: Unterstützung des Schwimmbads, Entwicklung eines Konzepts für eine Multifunktionsfläche für Jugendliche, Unterstützung bei der  Anschaffung eines Bürgerbusses und der Aufbau einer Flüchtlingshilfegruppe, der so genannten Flüchtlings AG.

Soziale Netzwerke

Auch ein Familienscout als zentrales Element der Stadt- und Dorfkommunikation wurde eingerichtet. Dieser bündelt Informationen, nimmt Anfragen entgegen und gibt diese an das Netzwerk weiter. Darüber bekommen oft auch kleine, private Initiativen eine Chance zur Umsetzung: Mitfahrgelegenheit, Oma auf Zeit, Geräteverleih und vieles mehr. Nachbarschaftshilfe wird in allen 13 Stadtteilen groß geschrieben. Der Katharinenverein in Spangenberg sorgt für die Unterstützung mit so unterschiedlichen Angeboten wie die Rentenberatung, die Begleitung zum Arzt oder zum Markt. Neben den Hilfen für Seniorinnen und Senioren werden in Spangenberg mit Bürgerhilfe auch Angebote für Junge und Jüngste organisiert, so bei den Ferienspielen.

Hier gibt es einen starken Partner: der Auf dem Gelände einer alten Bauschuttdeponie ist in Spangenberg ein wunderschöner Bergpark entstanden. Ein Spangenberger Ehepaar erbaute auf den Ruinen ein Gelände, das von Ortsansässigen und auch von Gästen aus nah und fern besucht wird. Das Areal Himmelsfels wurde Anfang 2007 zur gemeinnützigen und ökumenischen Stiftung. Das auf dem Himmelsfels veranstaltete Programm spricht  Kinder, Jugendliche und Familien an. Die Initiative hat besonders Kulturangebote im Blick:  für Musikliebhaber und Kunstinteressierte aus Gesellschaft und Kirche  ist der Himmelsfels ein Ausrufezeichen in der Region. Neben der Kultur werden regelmäßig mehrere einwöchige Ferienfreizeiten für 8- bis 16-Jährige in den Sommerferien, die sog. Berg Sommer Camps, angeboten.  Darüber hinaus finden auf dem Himmelsfels Kinderferienspiele, auch in Zusammenarbeit mit der Spangenberger Jugendpflege und Nachmittagsangebote statt.

Gehobene Schätze

Zurück im Ort fällt dem Besucher der Stadt der historische Burgsitz auf. Ein Fachwerkensemble, das im Privatbesitz war, und mit den Jahren baufällig als Schandfleck galt. In einem aufsehenerregenden Projekt haben die Betreiber vom Himmelsfels das Ensemble in der Kernstadt mit Hilfe von Arbeitslosen in einem Projekt saniert. Das Projekt hat den doppeldeutigen Titel „Gehobene Schätze“. Einmal ist damit die Auferstehung des Fachwerkgebäudes gemeint, andererseits die Talente der Arbeiter, die historische Bautechniken am Burgsitz erlernt haben.

Ehrenamt braucht eine Adresse. In Spangenberg ist es der „Burgsitz 1“. In dem Gebäude ist der Verein Spangensteine untergebracht. Der Verein hat nicht nur das Förderprogramm „Soziale Stadt“ in Spangenberg abgewickelt, sondern sieht sich als Vermittler von bürgerschaftlichem Engagement  und will die Kooperationsbereitschaft der Menschen für ihre Stadt ausbauen.

In dem historischen Burgsitz hat Spangenberg  sein „Stadtwohnzimmer“ :  ein Salon mit gemütlichem Kaminofen, Sofas und Küchenecke steht für alle Bürgerinnen und Bürger offen und kann für vielfältige Zwecke genutzt werden. Eine Mitarbeiterin der „Spangensteine“  sorgt für den Raum und dafür, dass sich alle Besucher und Besucherinnen wohlfühlen und das Stadtwohnzimmer jederzeit in gutem Zustand ist. Ähnlich den Salons im 18. Jahrhundert ist er ein Ort der Gespräche, gegenseitiger Bildung und des Austausches. Im Burgsitzladen stellen Kreative selbst hergestellte Produkte vor: Schals, Taschen,  fantasievolle Topflappen, Kissen, Lampen,  fair gehandelter Kaffee und sogar Dauerwaren vom Biolandhof: Wer auf der Suche nach einem ungewöhnlichen Geschenk ist, findet im neuen Burgsitz reiche Auswahl.

Fünf Jahre hat die Sanierung des historischen Gebäudes  gedauert. „Ein solches Gebäude aufzugeben hieße, die eigene Geschichte aufzugeben“, so sehen es die aktiven Bürger. Der Burgsitz stellt einen Schatz inmitten der Stadt Spangenberg dar. Genau das wollte der Besitzes des Ensembles, die  Werner-Pfetzing-Stiftung, erreichen: alte Spangenberger Schätze zu heben und sie mit neuem Leben zu füllen.  Das Vorhaben wurde mit dem Hessischen Denkmalschutzpreises 2014 ausgezeichnet: „Für die denkmalgerechte Sanierung eines der bedeutendsten Fachwerkbauten der Region und als vorbildliches integratives Projekt für Langzeitarbeitslose und Jugendliche!“

BU Der Burgsitz in Spangenberg ist eines der bedeutendsten Fachwerkbauten der Region