aktBuerg

Aktive Bürger =
Starke Kommunen

In den letzten Jahren ist in Hessen ein beispielhaftes Netz von bürgerschaftlichen Initiativen entstanden. In Zeiten immer knapper werdender öffentlicher Haushaltsmittel haben die Bürgerinnen und Bürger die Notwendigkeit erkannt, in ihrer Kommune selbst "mit anzupacken".
In Hessen sind rund 2 Millionen Menschen ehrenamtlich tätig. Neben der freiwilligen Feuerwehr engagieren sich die Bürgerinnen und Bürger in Vereinen und Organisationen im sozialen, kulturellen und sportlichen Bereich. Viele Menschen wollen sich allerdings nicht mehr in fest gefügten Strukturen engagieren. Sie wollen vielmehr punktuell und auf Zeit mitarbeiten.
Der Hessische Städte- und Gemeindebund möchte das in den Mitgliedskommunen bereits vorhandene bürgerschaftliche Engagement bekannt machen und den Anstoß, aber auch Unterstützung geben, dass in möglichst vielen Gemeinden und Städten der freiwillige Einsatz der Bürger gefördert wird.

Aktive Bürger

Wächtersbach: Brauerei in Bürgerhand

Von 1578 bis 2001 war Wächtersbach, eine Kleinstadt im Main-Kinzig-Kreis, ein in der Region bekannter Brauereistandort. Eine Würzburger Brauerei hatte den letzten Betrieb in der Stadt zur Jahrtausendwende aufgekauft und wenig später den Produktionsstandort aufgegeben. Damit erlosch ein traditionsreiches Handwerk im historischen Ort zwischen Spessart und Vogelsberg.

Buergerbraeu

Aus einer sprichwörtlichen Bierlaune heraus, beschlossen Bürgerinnen und Bürger eine Brauerei in eigener Regie aufzubauen und das alte Handwerk in der Stadt fortzusetzten. Die Idee fand ein beeindruckendes Echo und 160 Bürgerinnen und Bürger gründeten im Jahr 2010 eine Genossenschaft. Für die technische Leitung des Projektes gewannen sie einen Braumeister. In Eltville erstanden die Bürger eine gebrauchte Anlage, die abgebaut und im November 2011 nach Wächtersbach gebracht worden ist. Dort fand die Brauerei in einem Massekraftwerk einen neuen Standort.

Mittlerweile hat die Genossenschaft über 200 Mitglieder. Den Genossinnen und Genossen ist es wichtig, mit dem Brauereistandort auch ein Stück Identität ihrer Kommune zu wahren. Produziert wird ein reines, frisches Bierprodukt, das in Flaschen etwa sechs Wochen haltbar ist, also nicht als Produkt für den Großmarkt gilt, sondern für den regionalen Verbrauch bestimmt ist.

Schritt für Schritt, so Brauereimeister Markus Lotz, wurde das Biersortiment erweitert. In Wächtersbach wird wieder Helles Produziert, Weizen, Pils und ein Ale, ein starkes Bier mit höherer Reifung. Braumeister Markus Lotz hat einen sehr guten Namen in der Region und ist auch für innovative Produkte bekannt. Gleichzeitig legt er großen Wert auf ein traditionelles gebrautes Bier, dass Ruhe und Zeit zum Gären und reifen bekommt. Der Geschmack von Bier wird leider immer vergleichbarer, denn die industrielle Produktion verlangt nach schnell vergorenen und kurz gelagerten Bieren aus „Massenbierhaltung“.  Doch viele Verbraucher legen immer mehr Wert auf nachhaltig und lokal erzeuge Lebensmittel und sind bereit diese Qualität auch zu bezahlen, so die Erfahrung in Wächtersbach.

Als vor 433 Jahren die erste Brauerei in Wächtersbach ihren Betrieb aufnahm, waren biologisch angebaute Gerste und Hopfen selbstverständlich, denn es gab weder Kunstdünger noch Pestizide. Heutzutage müssen sich die Wächtersbacher Brauer Mühe geben, wenn sie Bio produzieren wollen. Hopfen und Malz in der entsprechenden Qualität ist teurer, aber das nimmt die Brauerei in Bürgerhand gerne in Kauf.

Auch der Brennstoff ist der gleiche wie vor 433 Jahren. Die Südpfanne wird mit Holz befeuert. Zum Brauen benötigt man viel Energie und die steht günstig im neuen Holzhackschnitzel-Heizkraftwerk in Wächtersbach zur Verfügung. Brauereimeister Markus Lotz verschweigt nicht, dass es ein langsamer Prozess ist, ein qualitativ hochwertiges, anspruchsvolles Bier an die Frau und an den Mann in der Region zu bringen. Da die Wächtersbacher Brauerei kein Fremdkapital aufnehmen wollte, kann der Betrieb nur über die verkauften Hektoliter Bier erfolgen. Bei 600 Hektoliter schreibt die Anlage eine schwarze Null. Noch ist die Genossenschaft nicht ganz so weit, aber sie erhofft sich mit einem Brauereiausschank in der Wächtersbacher Altstadt auch ein touristischen Anziehungspunkt zu schaffen, der für den notwendigen Umsatz sorgt. In Kürze wird ein neuer halbautomatischer Flaschenfüller beschafft, mit dem ein höherer Ausstoß und einer längere Haltbarkeit möglich wird. Die Wächtersbacher sind auf einem guten Weg.

HSGZ Juni 2013