Kommunaler Finanzausgleich: Land muss realistisch rechnen
Mühlheim am Main. Gesprächsbereit, aber mit klaren Bedingungen: So will der Hessische Städte- und Gemeindebund (HSGB) in die weiteren Verhandlungen zur Neugestaltung des Kommunalen Finanzausgleichs (KFA) ab 2016 gehen. „Das Land darf sich nicht schönrechnen, es muss die Vorgaben des Verfassungsgerichts umsetzen“, fasste Karl-Christian Schelzke, der Geschäftsführende Direktor des Kommunalen Spitzenverbandes der kreisangehörigen Städte und Gemeinden in Hessen, die Hausaufgaben des Landes zusammen. Diese Forderungen stehen auch im Mittelpunkt der Mitgliederversammlung des Verbandes am 27. März 2014 in Bad Vilbel.
Der Staatsgerichtshof hatte auf eine vom HSGB vor Gericht vertretene Klage der Stadt Alsfeld eine 2011 in Kraft getretene Kürzung der Zahlungen des Landes an die Kommunen im Frühjahr 2013 als unvereinbar mit der Landesverfassung verworfen, dem Gesetzgeber aber eine Überarbeitungsfrist bis Ende 2015 gesetzt. Aktuell laufen intensive Gespräche zwischen Land und Kommunalen Spitzenverbänden.
Der Staatsgerichtshof verlangt vom Gesetzgeber, dem realistisch bemessenen Ausgabebedarf der Kommunen deren eigene Einnahmen aus Steuern und anderen Quellen gegenüberzustellen. „Die von Bund und Land auf die Kommunen übertragenen Lasten erfordern wesentlich höhere Mittel als das, was die Kommunen aus eigenen Steuern und beispielsweise Gebühren aufbringen können,“ erläuterte Schelzke die Notwendigkeit des vom Verfassungsgericht angemahnten „bedarfsgerechten“ Kommunalen Finanzausgleichs. Seine Funktion liegt darin, die unzureichenden eigenen Einnahmen der Kommunen so lange aufzustocken, bis die Kommunen ihre Aufgaben finanzieren können.
Der Hessische Städte- und Gemeindebund hat unter der Überschrift „Finanzbedarf der Gemeinden und aufgabengerechter Kommunaler Finanzausgleich in Hessen“ eine erste gutachterliche Stellungnahme erarbeitet, die er in den anstehenden Verhandlungen mit der Landesregierung zum Gegenstand der Erörterungen machen wird.
Konkret verlangen die kreisangehörigen Städte und Gemeinden nach
- einer besseren Finanzierung der Lasten der Kinderbetreuung und
- der Soziallasten der Landkreise. Letztere finanzieren die kreisangehörigen Städte und Gemeinden in weiten Teilen über so genannte Umlagen, eine Art Einkommensteuer auf die eigenen Steuereinnahmen der Städte und Gemeinden. Aktuell bilden diese Umlagen in den meisten Städten und Gemeinden den größten Ausgabeposten.
- Daneben soll der reformierte Kommunale Finanzausgleich die Finanzschwäche des kreisangehörigen Bereichs (Landkreise, Städte und Gemeinden) endlich zur Kenntnis nehmen. Die fünf Großstädte verzeichnen je Einwohner deutlich mehr eigene Einnahmen als die 421 kreisangehörigen Städte und Gemeinden (So nahmen die kreisfreien Städte 2013 pro Kopf 1453 Euro Gewerbesteuer ein, die kreisangehörigen Gemeinden nur 452).
Hintergrund
Im Wortlaut: Die amtlichen Leitsätze des Urteils des Staatsgerichtshofs vom 21. Mai 2013 (Alsfeld-Urteil, P.St. 2361, Hervorh. d. HSGB)
- „Das Land hat 2011 die Zuweisungen aus dem KFA verringert, weil insbesondere Frankfurt in den Jahren zuvor hohe Steuereinnahmen hatte. Davon hatte der kreisangehörige Raum aber überwiegend rein gar nichts. Die Arbeitsteilung „Frankfurt hat hohe Einnahmen und Alsfeld und andere bekommen die Zuweisungen gekürzt“ hat der Staatsgerichtshof zurecht als mit Mindestanforderungen an eine sachgerechte Gesetzgebung unvereinbar angesehen,“ sagte Schelzke.
- Die Gemeinden haben einen aus dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht abgeleiteten Anspruch gegen das Land Hessen auf angemessene Finanzausstattung (Art. 137 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 der Verfassung des Landes Hessen - HV -).
- Die Garantie einer angemessenen Finanzausstattung verlangt jedenfalls, dass die Kommunen in der Lage sind, neben Pflichtaufgaben auch ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen. Über diese Mindestausstattung hinaus haben die Kommunen einen von der Finanzkraft des Landes abhängigen weitergehenden Anspruch auf Finanzausstattung.
- Die Aufgaben der Kommunen bilden den verfassungsrechtlichen Maßstab, der den Umfang der angemessenen Finanzausstattung bestimmt. Der Landesgesetzgeber kann seiner Verpflichtung zu einem aufgabengerechten Finanzausgleich nur nachkommen, wenn er die Höhe der zur kommunalen Aufgabenerfüllung notwendigen Finanzmittel kennt. Dies setzt eine Ermittlung des durch Aufgabenbelastung und Finanzkraft vorgezeichneten Bedarfs der Kommunen voraus. Die Bedarfsermittlungspflicht erstreckt sich auch auf den horizontalen Ausgleich, der unterschiedliche Bedarfslagen der kommunalen Gebietskörperschaften zu berücksichtigen hat.
- Der Landesgesetzgeber hat bei der von Verfassungs wegen erforderlichen Bedarfsanalyse Gestaltungs- und Einschätzungsspielräume. Er darf daher bei der Kostenermittlung pauschalieren und die ermittelten Ausgaben auf ihre Angemessenheit prüfen.
- Das Land Hessen hat den Finanzbedarf der Kommunen nicht ermittelt und ist damit den verfahrensrechtlichen Mindestanforderungen an eine Finanzausgleichsentscheidung nicht gerecht geworden. Dies hat die Verfassungswidrigkeit der Veränderung der Steuerverbundmasse und die Verletzung des Selbstverwaltungsrechts der Antragstellerin zur Folge.
- Der Landesgesetzgeber ist prinzipiell nicht gehindert, eine Kompensationsumlage einzuführen. Belastet er allerdings die Kommunen mit einer neuen Umlage, die ihre finanzielle Handlungsfähigkeit spürbar beeinträchtigt, muss er den kommunalen Finanzbedarf ermitteln, wobei er nach den kommunalen Gruppen der kreisangehörigen Gemeinden, kreisfreien Städte und Landkreise zu differenzieren hat.
- Die angegriffenen Vorschriften über die Einführung der Kompensationsumlage sind ebenfalls wegen des Fehlens einer Finanzbedarfsermittlung verfassungswidrig und verletzen das Selbstverwaltungsrecht der Antragstellerin.
- Der kommunale Finanzausgleich ist spätestens für das Ausgleichsjahr 2016 neu zu regeln. Bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung bleibt das bisherige Recht anwendbar.