Fachinformationen Asyl / Flüchtlinge

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Asyl und Flüchtlinge: Umfrage bestätigt Schwierigkeiten bei der Integration von Geflüchteten

Die Forschungsgruppe Migrationspolitik, bestehend aus der Universität Hildesheim und des Mediendienstes Integration, hat bis Mitte Mai 2024 eine bundesweite Online-Umfrage zum Stand der Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten in deutschen Kommunen durchgeführt. Nach Einschätzung der Forschergruppe, die die Umfrage unter rund 800 Kommunen durchgeführt hat, stellt die Unterbringung inzwischen nicht die größte Herausforderung im kommunalen Migrationsmanagement dar. Vielmehr werden andere Arbeitsbereiche im Notfallmodus, v.a. die Ausländerbehörden oder Kitas, vielerorts als stärker belastet wahrgenommen. Hinsichtlich der Unterbringung Geflüchteter sei die Lage für Kommunen herausfordernd, der Anteil überlasteter Kommunen gehe jedoch im Vergleich zum Herbst zurück. 71 Prozent der Kommunen würden die Unterbringungssituation vor Ort herausfordernd, aber machbar einschätzen (Herbst 2023: 60 Prozent).

 

Viele Kommunen würden die Unterbringung Geflüchteter derzeit als fortwährende Aufgabe verstehen, hätten zusätzliche Kapazitäten aufgebaut und würden sich auf die Aufnahme weiterer Personen vorbereiten. Ostdeutsche Kommunalverwaltungen würden die Lage tendenziell etwas besser einschätzen als Westdeutsche und würden seltener auf Notunterkünfte zurückgreifen müssen.

„Wie schätzen Sie die Lage bei der Unterbringung ein?“

71,2 Prozent der Kommunen würden die Situation als herausfordernd, aber noch machbar einschätzen, 22,9 Prozent würden sich „im Notfallmodus“ sehen. Im Oktober 2023 hätten laut den Forschern die Einschätzungen noch deutlich negativer ausgefallen: Auf die gleichlautende Frage hätten rund 40 Prozent der antwortenden Kommunen eine Überlastung bzw. einen Notfallmodus festgestellt. Laut den Autoren des Umfrageberichtes bieten die Zugangszahlen Asylsuchender hierfür zum Teil eine Erklärung. Nachdem im Herbst 2023 die höchsten monatlichen Asylantragszahlen seit 2016 registriert worden seien, habe ab Dezember ein leichter Rückgang eingesetzt und im ersten Quartal 2024 hätten die Zugangszahlen leicht unter denen des Vorjahres gelegen. Rund 20.000 Anträge pro Monat seien einerseits weit weniger als zur Hochphase 2015/2016, andererseits weiterhin mehr als in den Jahren zwischen 2017 und 2022. Auch sei es manchen Kommunen gelungen, in der Zwischenzeit die Unterbringungskapazitäten deutlich auszubauen; teilweise hätten die Befragten auch angemerkt, dass die Zuweisungen Geflüchteter geringer ausfielen als erwartet. Einige wenige Kommunen würden des Weiteren angeben, dass sie in der Zwischenzeit ihre strategische Aufstellung verbessern konnten, beispielsweise durch eine angepasste Unterbringungsstrategie oder verbesserte Absprachen mit übergeordneten Behörden. In einer anderen Frage habe eine Mehrheit der Kommunen angegeben, sich auf die eine oder andere Weise auf weitere Geflüchtete vorzubereiten, z.B. indem kontinuierlich Gebäude oder Wohnungen akquiriert werden. Wie die Lage vor Ort beurteilt wird, hänge zum Teil davon ab, wer aus einer Kommune die Befragung ausfüllen würde. Bürgermeister oder Landräte würden die Lage tendenziell negativer einschätzen. Relativ gering würden die Unterschiede mit Blick auf die Kommunengröße scheinen: In Gemeinden und Kleinstädten mit 5000-20.000 Einwohnern würde etwas häufiger der Notfallmodus konstatiert (rund 28 Prozent); sehr kleine Gemeinden, größere Städte und Landkreise würden bei jeweils rund 20 Prozent liegen. Am seltensten würden Antwortende aus Großstädten (über 100.000 Einwohner*innen) eine Überlastung angeben.

 

„Welche Faktoren erschweren aktuell die Unterbringung in Ihrer Kommune?“

Am häufigsten werde ein längerer Verbleib Geflüchteter in kommunalen Unterkünften als Faktor genannt, der aktuell die Unterbringungslage verschärfe. Grundsätzlich bestehe spätestens nach einem positiven Abschluss des Asylverfahrens keine Verpflichtung mehr, in kommunalen Unterkünften zu wohnen. Dennoch gelinge es vielen Geflüchteten nicht oder jedenfalls nicht unmittelbar, eine eigene Privatwohnung zu finden. Sie würden in dieser Zeit weiterhin Plätze belegen, die Neuankommenden nicht zur Verfügung stünden. Dieses Problem sei bereits in der Expertise der Fachgruppe vom Juli 2023 unter dem Schlagwort „Auszugskrise“ thematisiert und bestätige sich nun als nahezu flächendeckendes Phänomen – wenn auch mit Abstufungen: Kleinere Gemeinden unter 5.000 Einwohner würden diesen Faktor etwas seltener nennen, ostdeutsche Kommunen sogar deutlich seltener (zu rund 60 Prozent im Verhältnis zum Bundesdurchschnitt von rund 87 Prozent). Die fehlende Akzeptanz der Bevölkerung würde in gut 50 Prozent der Kommunen als erschwerender Faktor für die Unterbringung benannt.

 

„Mit Blick auf die Integration Geflüchteter in Ihrer Kommune: Wie schätzen Sie die Situation in folgenden Bereichen ein?“

Laut der Umfrage sei sichtbar, dass für jeden der abgefragten Bereiche (Ausländerbehörden, Kinderbetreuung, Jobcenter, Schulen, Beratungsangebote für Zugewanderte) häufiger ein „Notfallmodus“ gesehen werde als für die Unterbringung selbst. In besonderer Weise würden die Kitas und die Ausländerbehörden betroffen seien. Da die Ausländerbehörden für eine Reihe von bürokratischen Vorgängen zuständig sind, die die gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen, würden hier Engpässe entstehen können, die die Integration etwa auf dem Arbeitsmarkt verzögerten oder gar verhinderten.

 

Anmerkung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB)

Der DStGB hat mithilfe seiner Mitgliedsverbände dazu beigetragen, dass rund 800 Kommunen an der Befragung teilgenommen haben. Dies ist insofern bereits ein wichtiger Erfolg, da eine bessere Datenlage es den Kommunen ermöglicht, den bestehenden Forderungen bei den Flüchtlingsthemen gegenüber dem Bund mehr Nachdruck zu verleihen.

Die leichte Entspannung beim Migrationsgeschehen gibt den Gemeinden, Städten und Landkreisen zwar Luft, sich zu sortieren und zu organisieren. Mit einem deutlichen Rückgang der Asylanträge ist jedoch kurzfristig nicht zu rechnen. Die aktuelle Entlastung dürfte insbesondere den Mitte Oktober 2023 angeordneten Grenzkontrollen zu Polen, Tschechien und der Schweiz geschuldet sein, die wiederum Grenzkontrollen in diesen Ländern ausgelöst haben. Eine echte Entlastung dürfe erst in einigen Jahren aufgrund der EU-Asylbeschlüsse zu erwarten sein. Denn diese sehen u.a. vor, die Grenzen der Europäischen Union stärker zu sichern und Asylverfahren außerhalb der EU schneller durchzuführen. Dies wird die Kommunen entlasten, da ausschließlich Menschen durch die Mitgliedstaaten bzw. die Bundesländer umverteilt werden sollen, die dringend Schutz benötigen und eine Bleibeperspektive haben.

Ob sich die Rahmenbedingungen kurzfristig für mehr Unterbringungsmöglichkeiten verbessern, muss hingegen bezweifelt werden. Der Bau neuer Unterkünfte wird insbesondere durch die hohen Zinsen, Baukosten und fehlende Grundstücke erschwert. Auch fehlt es in den Kommunen an Planungssicherheit, um in Wohnungen zu investieren. Denn die durch Bund und Länder vereinbarte Pauschale von 7.500 Euro je Flüchtling pro Jahr sieht keine Vorhaltekosten für nicht genutzte Unterkünfte vor. Dadurch wird es nicht allen Gemeinden und Städten gelingen, Wohnraum für künftige Krisen vorzuhalten. Auch zeigt die Umfrage, dass zugewiesene Wohnungen nur langsam frei werden, da die Wohnungssuche sich für Migranten schwierig gestaltet. Es fehlt insbesondere an bezahlbaren Wohnraum bzw. Sozialwohnungen.

Mit Blick auf eine schnellere Integration muss vor allem eine bessere Vernetzung zwischen Ausländerbehörde, Jobcenter und Agentur für Arbeit erfolgen. Beispielsweise könnten Verfahren von Asylbewerbern vorgezogen werden, die etwa Qualifikationen für eine freie Stelle mitbringen. Ebenso muss die Zahl der Sprachkurse ausgebaut werden - bspw. durch geringere Anforderungen an die Lehrkräfte oder niedrigere Standards bei der Sprachvermittlung.

 

Die vollständige Umfrage ist zu finden unter:

Expertise_Kuehn_Ziegler_Umfrage_Kommunen_Mai_2024.pdf (mediendienst-integration.de)

 

(DStGB, 30.05.2024)