Herausforderung Flüchtlingspolitik - Sicherheit, Unterbringung, Integration
Gemeinsame Erklärung Deutsche Polizeigewerkschaft und Deutscher Städte- und Gemeindebund
Kriminelle Angriffe auf Unterkünfte von Flüchtlingen haben zu Recht Empörung und Entsetzen ausgelöst. Sie weisen auf die dringende Notwendigkeit hin, alle Möglichkeiten für einen besseren Schutz der Menschen, die in unser Land geflohen sind, möglichst effektiv zu nutzen und auszubauen.
Es ist aber auch erforderlich, allen Flüchtlingen von Beginn ihres Aufenthalts in Deutschland an, in aller Deutlichkeit klar zu machen, dass die Einhaltung unserer Gesetze eine der Bedingungen für dauerhaften Aufenthalt in Deutschland ist. Hierzu müssen unmittelbar nach ihrer Ankunft geeignete Aufklärungsmaterialien in den jeweiligen Sprachen bereitgestellt werden.
Für diejenigen, die trotz eindeutiger Aufklärung nicht bereit sind, sich rechtstreu und gewaltfrei zu verhalten, muss die Prüfung von Asylbegehren unter Ausschluss weiterer Rechtswege im Eilverfahren erfolgen. Nach negativem Bescheid muss die sofortige Abschiebung erfolgen.
Strafbarkeit von Hasskriminalität verschärfen!
Um die Kriminalität gegen die Unterkünfte von Flüchtlingen besonders zu ächten, sollte erwogen werden, diesen Fall der Hasskriminalität im Strafgesetzbuch als Qualifikationsmerkmal bei Gemeingefährlichen Straftaten (§§ 306 ff. StGB) wie der besonders schweren Brandstiftung (§ 306 b Abs. 2 StGB) zu normieren. Dies würde sich auch auf die Möglichkeit zur Anordnung der Untersuchungshaft nach der Strafprozessordnung auswirken.
Im Übrigen sollte die Empfehlung an die Staatsanwaltschaften ergehen, dass im Fall des Vorliegens von Hasskriminalität das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nach dem materiellen Strafrecht, z.B. gem. § 230 StGB, wie auch das einer Einstellung des Verfahrens entgegenstehende öffentliche Interesse nach § 153 StPO in aller Regel zu bejahen ist.
Entwicklung von Sicherheitskonzepten!
Für jede Einrichtung muss ein Sicherheitskonzept entwickelt werden, das alle maßgeblichen Daten und Informationen zur Einrichtung, ihrer Belegung, der personellen Besetzung und geeigneter Präventions- und Schutzmaßnahmen beinhaltet. Dabei müssen kommunale Verwaltungsbehörden fortlaufend mit Polizei und Feuerwehr zusammenarbeiten, um einen ständigen Austausch für eine objektive Analyse der Sicherheit zu pflegen.
Ziel ist, die Kriminalität gegen Flüchtlinge innerhalb und aus Flüchtlingsunterkünften heraus zu vermeiden. Da sich die Unterkünfte oft in Wohnlagen befinden, ist es erforderlich, dass ein Umfeld geschaffen wird, in dem Bürgerinnen und Bürger unterschiedlichster Religionen, Sprachen und Kulturen friedlich.
Angemessene Personalausstattung bei Kommunen und Polizei!
Für eine Verbesserung der objektiven Sicherheitslage und des subjektiven Sicherheitsgefühls ist die Präsenz von kommunalem Ordnungsdienst und Polizei im Umfeld von Flüchtlingsunterkünften erforderlich.
Für viele Kommunen gilt seit langem, dass sie mit immer weniger Personal immer mehr Aufgaben erfüllen müssen. So zeigt beispielsweise der aktuelle massive Zuwachs von geflüchteten Menschen, dass vor Ort zusätzliche Flüchtlings- und Integrationsmanager erforderlich sind, um die anstehenden Probleme zu bewältigen.
Zudem wird für den kommunalen Ordnungsdienst vielerorts zusätzliches Personal benötigt, um die Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Dafür müssen die Länder den Kommunen die notwendigen Mittel zusätzlich bereitstellen.
Dauerobjektschutzmaßnahmen vor und nach dem Bezug von Flüchtlingsunterkünften dürfen nur im Ausnahmefall durch die Bereitschaftspolizei wahrgenommen werden. Diese Einsatzkräfte sind durch eine Fülle anderer gesetzlicher Aufträge gebunden. Deshalb sind zusätzliche Sicherheitskräfte als Objektschutzdienste in der Polizei anzustellen und unter Führung und Aufsicht erfahrener Polizeiführer einzusetzen.
Videoüberwachung bei größeren Unterkünften notwendig!
Gerade vor bzw. in größeren Flüchtlingsunterkünften mit unübersichtlichen Gegebenheiten ist der Einsatz von Videoüberwachung notwendig. Die Videoüberwachung dient dem Schutz der Flüchtlinge vor Übergriffen innerhalb der Einrichtungen sowie der Abschreckung von Anschlägen. Sie ist außerdem wichtiges Ermittlungs- und Fahndungsinstrument nach begangenen Straftaten und entfaltet nachweislich starke präventive Wirkung.
Trotz der Bedenken bezüglich der grundrechtlichen geschützten informationellen Selbstbestimmungsfreiheit sprechen diese Sicherheitsaspekte für eine Videoüberwachung an besonders gefährdeten Orten wie beispielsweise Flüchtlingsheimen. Videoüberwachung dient der Kriminalprävention, der erfolgreichen Strafverfolgung sowie der Steigerung des Sicherheitsgefühls.
Frühzeitige Kommunikation mit Kommunen und Bürgern!
Gerade in Zeiten massiver Flüchtlingsströme ist eine permanente Öffentlichkeitsarbeit der betroffenen Kommunen im Vorfeld der Belegung der Erstaufnahmeeinrichtungen und während des laufenden Betriebs erforderlich.
Hierzu brauchen die Kommunen frühzeitig Informationen von den Ländern etwa was die Belegungszahlen, die Herkunft der Menschen und die Verweildauer anbelangt. Nur so können Politik und Verwaltung die Bürger frühzeitig auf die anstehenden Entwicklungen vor Ort vorbereiten und Maßnahmen wie etwa Informationsveranstaltungen durchführen. Damit können potenzielle Konflikte sichtbar gemacht und Gerüchte frühzeitig entkräftet werden.
Die Bürger haben ein Recht auf objektive und zeitnahe Information!
Schutzzonen rechtzeitig einrichten!
Im Zuge der aktuellen Auseinandersetzungen im Umfeld von Flüchtlingsheimen ist deutlich geworden, dass die rechtlichen Möglichkeiten für einen präventiven Schutz der Bewohner und ihrer Unterkünfte vor Straftaten konsequent ausgeschöpft werden müssen.
Dazu kommt insbesondere die Einrichtung von Sicherheits- und Kontrollzonen infrage. Entsprechende rechtliche Instrumentarien stellen die Polizei und Sicherheitsgesetze der Länder regelmäßig zur Verfügung.
Damit sind zusätzliche Befugnisse der Polizei und Ordnungsbehörden in Kontrollbereichen verbunden. So können ohne Anlass Personalien kontrolliert werden und es sind in bestimmten Fällen auch Platzverweise oder Aufenthaltsverbote möglich.
Polizei und Rettungskräfte vor Angriffen schützen!
Polizistinnen und Polizisten, aber auch Ordnungskräfte, Feuerwehr und Rettungskräfte brauchen unsere Solidarität und Wertschätzung. Dies gilt es gerade vor dem Hintergrund zu betonen, dass sie sich beim Einsatz rund um Flüchtlingsheime zunehmend Angriffen ausgesetzt sehen. In Teilen der Bevölkerung fehlt Respekt und Anstand gegenüber Polizei, Feuerwehr und Rettungskräften sowie den Mitarbeitern der kommunalen Ordnungsdienste, die oft Beleidigungen und tätlichen Angriffen ausgesetzt sind.
Neben der Verbesserung der Ausrüstung der Einsatz, Hilfs- und Ordnungskräfte müssen auch die rechtlichen Grundlagen in §§ 113 ff. StGB dafür geschaffen werden, den bereits erhöhten Strafrahmen für Angriffe auf Vollstreckungsbeamte so zu verändern, dass auch die unvermittelte Attacke strafbar wird.
Schutz von politischen Entscheidungsträgern verbessern!
Vor dem Hintergrund der zunehmenden und wiederholten Bedrohung insbesondere von kommunalpolitischen Entscheidungsträgern und ihren Familienangehörigen sollten die Straftatbestände der Bedrohung (§241 StGB) sowie der Nachstellung (§ 238 StGB) Qualifikationsmerkmale vorsehen, wenn die Taten gegen politische Entscheidungsträger und ihre Familienangehörigen gerichtet sind.
Da sich diese Taten zunehmend in die sozialen Netzwerke verlagern, sollte der Gesetzgeber im Zuge der Anpassung der Straftatbestände klarstellen, dass diese Form der Hasskriminalität in der virtuellen Welt ebenfalls strafbar ist. Die (Kommunal) Politik benötigt unseren Schutz. Ohne sie ist das politische Engagement vor Ort als Wesenskern unserer Demokratie gefährdet.
Ausschließlich qualifiziertes Wachpersonal in Flüchtlingsunterkünften!
Aufgrund der weiter steigenden Flüchtlingszahlen werden nicht in allen Fällen die kommunalen Ordnungsämter sämtliche Wachaufgaben übernehmen können. Wenn ergänzend privates Wachpersonal herangezogen wird, ist eine sorgfältige Auswahl des Personals entscheidend. Dies muss durch eine Überprüfung des Gewerberechts und der weiteren gesetzlichen Vorschriften sichergestellt werden.
Es dürfen nur geprüfte Sicherheitskräfte beschäftigt werden, die ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen können und keine Vorstrafen wegen Delikten, wie Körperverletzung oder Sexualstraftaten, haben. Konkret sollten auch die entsprechenden Lehrgänge des Sicherheitsgewerbes und der IHK’s Maßnahmen zur Stärkung der interkulturellen Kompetenz und zum Konfliktmanagement vorsehen.
Schaffung eines Ausbildungs-/ bzw. Qualifizierungspaktes für mehr Sicherheit!
Die Beurteilung der Frage, wo Flüchtlingsunterkünfte entstehen können und wie sie unter sicherheitsrelevanten Aspekten zu planen und zu errichten sind, setzt besondere Sach-kenntnisse voraus. Ebenso wie potenzielle Konflikte zwischen Gruppen von Flüchtlingen von vornherein richtig erkannt und vermieden werden können.
Ein eigenständiges Berufsbild „Flüchtlingsmanager“ könne insofern sinnvoll sein. Diese Manager müssten juristische Kenntnisse über Asyl- und Bleiberecht mitbringen und beurteilen können, wo Unterkünfte entstehen könnten. Sie sollten zudem interkulturelle Kompetenz besitzen.
Generell sollte im Rahmen eines Ausbildungs- und Qualifizierungspakts geprüft werden, welche arbeitsmarkt- und bildungspolitischen Maßnahmen hinaus erforderlich sind, um die Sicherheit von Flüchtlingen und Migranten auch mittel und langfristig zu gewährleisten und ihre Integration zu verbessern.
Schaffung von Migrationszentren und Integrationskultur!
Integration von Flüchtlingen ist eine Daueraufgabe für Staat und Gesellschaft. Viele Flücht-linge werden auf lange Zeit bei uns bleiben, weil die Situation in ihren Ländern eine Rückkehr kurz und mittelfristig nicht möglich macht.
Dies zu vermitteln, wird für Kommunen eine kommunikative Daueraufgabe sein. Um dies umzusetzen, bedarf es der Unterstützung von Bund und Ländern, aber auch der Wirtschaft. Etwa indem über Kommunikationsplattformen wie „what migrants bring!“, aber auch in den Betrieben und Einrichtungen vor Ort über positive Beispiele gelungener Integration berichtet wird.
Auch sollte eine Revitalisierung der „Aktion Noteingang“ erfolgen, die Anfang der 1990er Jahre als Reaktion auf zunehmende rassistische Übergriffe gegründet wurde. Neben der öffentlichen Verwaltung kommen insbesondere ÖPNV, Gaststätten und Betriebe in Betracht, um als Zufluchtsorte gegen Übergriffe zu fungieren und ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen.
Nur im Rahmen unseres gesellschaftlichen Normengefüges lassen sich Integration und Schutz von Flüchtlingen und die Wahrung des inneren Friedens in unserem Land durchsetzen.
Wer als Schutzsuchender in unser Land kommt, hat Anspruch auf alle unsere Anstrengungen, seine Bleibeperspektive durch eine gute Willkommenskultur und weitreichende Angebote zur Integration in unsere Gesellschaft zu verbessern.
Gleichzeitig haben alle Menschen in unserem Land einen Anspruch darauf, dass Flüchtlinge sich rechtstreu und gewaltfrei verhalten; diesen Anspruch gilt es konsequent zu verdeutlichen und auch durchzusetzen.
Kommunen und Polizei müssen über die rechtlichen, personellen und technischen Möglichkeiten verfügen, diese Ziele durchzusetzen. Dazu brauchen sie die notwendigen politischen Rahmenbedingungen, finanziellen und personellen Möglichkeiten und eine offene und vorurteilsfreie Kommunikation.
Berlin, 12. Oktober 2015
Forderungspapier DStGB und DPolG_121015_Final