Herbsterklärung der Präsidenten der kommunalen Spitzenverbände zur Flüchtlingssituation in Hessen
Fast zwei Jahrzehnte war das Thema Flüchtlingspolitik in den Schlagzeilen nicht existent. In den letzten Monaten befindet sich unser Land im Mittelpunkt einer hitzigen Debatte um die Unterbringung von Menschen in Not.
Wenn es um die Aufnahme von Flüchtlingen geht, sehen sich die Kommunen mit einer ganzen Reihe praktischer Probleme konfrontiert. Sie stehen erklärungsbedürftigen Bürgerinnen und Bürgern auf der einen und hilfsbedürftigen Ankömmlingen auf der anderen Seite gegenüber, stehen zwischen den Ansprüchen und den Aktionen unterschiedlichster Akteure – und sind in den seltensten Fällen auf solche Situationen vorbereitet.
Wohnraum ist dringend notwendig. Nach den ersten Nothilfen und Unterstützungsmaßnahmen wird es darauf ankommen, die kommunalen Infrastrukturen auf die neue Lage anzupassen. Notwendig sind in den Kommunen zusätzliche Gestaltungsfreiräume durch weniger Bürokratie und zusätzliche Finanzmittel. Wir fordern organisatorische Änderungen in der Flüchtlingspolitik. Auf Landesebene ist es wohl noch immer nicht eindeutig geklärt, welche Ansprechpartner zur Verfügung stehen und wo die Federführung ressortiert. Kommunen fühlen sich hier alleingelassen. Der Personalschlüssel, insbesondere in den kommunalen Verwaltungen, wird sich durch die große Zahl der Flüchtlinge verändern müssen. Benötigt werden so zum Beispiel zusätzliche Betreuungsplätze für Flüchtlingskinder.
Anders als bei vielen die Kommunen treffenden Anforderungen, haben wir hinsichtlich der Flüchtlinge eine bleibende Aufgabe, da bin ich mir ganz sicher. Doch dürfen bei allen Herausforderungen nicht die Potenziale in den Hintergrund treten, die mit den Flüchtlingen verbunden sind. Sie haben zum Teil erhebliche berufliche Qualifikationen aufzuweisen. Um ihre Teilhabechancen im ökonomischen, sozialen und gesellschaftlichen Bereich erhöhen zu können, bedarf es eines Abbaus bürokratischer Hürden und auch der Einbeziehung der Zivilgesellschaft.
Mit dem demografischen Wandel und dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel streben auch die Kommunen eine stärker strategisch ausgerichtete Integrationspolitik an. Das gilt sowohl für den örtlichen Arbeitsmarkt, als auch für die Öffnung vieler ehrenamtlicher Strukturen wie Kirchengemeinden, freiwillige Feuerwehren, Vereine etc.
Integration ist kein Selbstläufer. Gemeinsame Anstrengungen von Bund, Land und Kommunen, Konzepte sind notwendig und die notwendigen Rahmenbedingungen für den Zugang zu Bildung und Teilhabe müssen vor Ort geschaffen werden. Alle Landesprogramme und Initiativen zur Förderung des ländlichen Raums sind auf die Zuwanderung insbesondere der Flüchtlinge besser abzustimmen.
(aus Vorwort von Karl-Christian Schelzke, Geschäftsführer des HSGB, im Vorwort der Hessischen Städte- und Gemeindezeitung vom Oktober 2015)