Fachinformationen Asyl / Flüchtlinge

Asyl
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Kommunen und Flüchtlingsaufnahme – Bestandsaufnahme und Forderungen im Frühjahr 2023

Nach einer scheinbaren Atempause nach der Zeit hoher Flüchtlingszahlen 2015/2016 sind die Themen rund um die Aufnahme von Flüchtlingen, das Recht der Zuwanderung und die Integration in unsere Gesellschaft wieder mit Macht auf die Tagesordnung gekommen. Den aktuellen Rahmen und kommunale Forderungen von DStGB und HSGB dazu stellt der nachfolgende Beitrag dar. Das Manuskript wurde am 11.5.2023 abgeschlossen.

 

Zur Lage

Immer wieder sind Städte, Gemeinden und Landkreise mit hohem Zuzug von Geflüchteten konfrontiert.

 

2022 kamen so viele Flüchtlinge wie noch nie nach Deutschland. In dem vergangenen Jahr wurden 244.132 Asylanträge in Deutschland gestellt und 1.045.185 Geflüchtete aus der Ukraine registriert.[1] Die Unterscheidung ist insofern wichtig, als für Flüchtlinge aus der Ukraine teilweise Sonderregelungen gelten.

2023 wurden in Deutschland bereits im 1. Quartal bereits 87.777 Asylanträge gestellt.[2] Es spricht also viel dafür, dass auch 2023 eine hohe Zahl an Flüchtlingen kommt. Ungewiss ist auch die weitere Entwicklung der Zugangszahlen aus der Ukraine. Von Jahresbeginn bis Ende April wurden in Hessen laut Innenministerium rund 9.900 Geflüchtete aus der Ukraine und rund 4.900 aus anderen Herkunftsländern registriert.

Rückblick auf vergangene Entwicklungen

Migration ist nicht neu. Immer wieder kam es zu starken Zuzugsbewegungen aus unterschiedlichen Gründen. So waren die 90-er Jahre durch starken Zuzug von Spätaussiedlern und Flüchtlingen aus den Balkanstaaten geprägt.

Noch stärkere Schwankungen als der Zuzug von Spätaussiedlern lassen sich bei Asylverfahren und der darauf bezogenen Statistik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erkennen:

Aktuell sind die flüchtlingsbedingten Zuzüge auf einem beachtlichen Niveau. Zu der wachsenden Zahl der Asylanträge kam 2022 der hohe Zustrom von Geflüchteten aus der Ukraine.

Verteilung innerhalb der EU

Deutschland zählt zu den EU-Ländern, die 2022 in überdurchschnittlichem Maße Flüchtlinge unter dem Gesichtspunkt Asyl und aus der Ukraine aufgenommen haben.[3]

Im Verhältnis zur Einwohnerzahl liegt Deutschland im vorderen Bereich, wenn auch nicht ganz an der Spitze im Vergleich zu den noch stärker belasteten Ländern wie Tschechien, Zypern, Estland und anderen. Mit Polen und Österreich haben weitere direkte Nachbarn Deutschlands im Verhältnis zur Bevölkerung mehr Flüchtlinge aufgenommen.

Wichtig ist: Die dargestellte Verteilung ist nicht Ergebnis einer verbindlichen Verteilungsregelung. Die fehlt seit Jahren.

Angespannte Lage in den Kommunen

Letztlich kommen diese Menschen in den Städten und Gemeinden an. Hessens Städte und Gemeinden nahmen allein 2022 eine Zahl von Flüchtlingen auf, die in etwa der Einwohnerzahl der Stadt Hanau (rund 100.000) entspricht. Das führt zu sehr großen organisatorischen, personellen und finanziellen Belastungen. Die Handlungsmöglichkeiten der Kommunen für eine Unterbringung, die sowohl für die bereits ansässige Bevölkerung als auch für die Ankommenden verträglich bleibt, werden immer kleiner oder sind nicht mehr gegeben.

Auch die vielfach ehrenamtlich getragene oder ergänzte Betreuung der Flüchtlinge ist mit weiter wachsender Zahl nicht mehr zu bewältigen. Das sprichwörtliche Dach über dem Kopf ist in den weithin angespannten Wohnungsmärkten in Hessen schon ein großes Problem. Erst recht wird es immer schwieriger zu gewährleisten, dass die Ankommenden Deutsch lernen und angeleitet werden, im hiesigen Alltag einigermaßen zurecht zu kommen. Um Menschen müssen sich eben andere Menschen kümmern, und insbesondere deshalb gibt es praktische Grenzen der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit. Insoweit müssen Bund und Land auch Mögliches ermöglichen, also z.B. die ohnehin nicht realistischen Vorgaben für den Personalschlüssel in Kitas anpassen, die surrealen Qualifikationsanforderungen realistisch gestalten, um Quereinstiege zu ermöglichen. Die Landesgesetzgebung bewegt sich hier zuletzt, aber deutlich zu langsam und nicht genug.[4]

In finanzieller Hinsicht ist es aus kommunaler Sicht unabdingbar, dass die Kommunen sowohl die Kosten der Aufnahme und Unterbringung vollständig ausgeglichen bekommen. Entsprechendes muss auch für die Folgebelastungen gelten (Schaffung von Wohnraum, Betreuungsplätzen und Schulkapazitäten). Es darf nicht zu Situationen kommen, in denen das örtliche Schwimmbad mit einem Defizit nicht weiter finanziert werden kann und mehr oder weniger zeitgleich ähnlich hohe Mittel für die Flüchtlingsunterbringung mobilisiert werden müssen.

Mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund weist unser Bundesverband zurecht darauf hin, dass die aktuelle Fluchtbewegung erneut verdeutlicht, dass dauerhafte Strategien, Lösungen und Regelungen für Fluchtbewegungen gefunden werden müssen.

Grundlagen auf der europäischen Ebene

Grundlegendes zur Flucht-Migration regeln Verordnungen und Richtlinien der EU. Vorrang kommt den unionsrechtlichen Regelungen zu.[5] Zwei zentrale Regelwerke sollen hier kurz vorgestellt werden.

Die VO (EG) 604/2013 („Dublin III“-) Verordnung[6] begründet i.d.R. eine Zuständigkeit des Einreisestaates (in die EU) für die Prüfung, ob internationaler Schutz zu gewähren ist. Im Fall der Einreise nach Deutschland besteht demnach grds. Möglichkeit, Flüchtlinge in den für diese Prüfung zuständigen Mitgliedstaat – also nicht zwingend den Transit-Staat, über den die Person nach Deutschland einreist – zurückzuschicken.

Rechtlich sind dem verschiedene Grenzen gezogen, etwa wenn im potenziellen Aufnahmeland systemische Schwächen bei den Aufnahmebedingungen bestehen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung mit sich bringen.[7] Solche systemischen Schwächen hat die deutsche Rechtsprechung in der Vergangenheit bei einzelnen EU-Mitgliedstaaten zeitweise ausgemacht; das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings betont, dass dies ein Ausnahmetatbestand ist.[8] Mitgliedsstaaten können das Regelwerk auch missbrauchen: Grundsätzlich ist eine Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat vorgesehen. Allerdings geht die Zuständigkeit auf den nach Überstellung ersuchenden Mitgliedstaat über, wenn die Überstellung nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten durchgeführt ist.[9]

Eine weitere praktische Grenze zieht der Umstand, dass manche EU-Staaten die Rücknahme von Flüchtlingen in ihre an sich gegebene Zuständigkeit verweigern.[10]

Als Reaktion auf Fluchtbewegungen aus den Balkan-Staaten wurde die „Massenzustrom-Richtlinie“ der EU geschaffen.[11] Sie enthält eine Sonderregelung für vorübergehenden Schutz für Personen, die nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können. Voraussetzung ist ein Beschluss des Rats der EU. Ein solcher Ratsbeschluss erging erstmals am 4.3.2022 mit Blick auf die durch den russischen Überfall auf die Ukraine ausgelöste Fluchtbewegung.[12] Die Aufenthaltsdauer auf dieser Grundlage beträgt zunächst ein Jahr, wobei sich die Dauer verlängern kann. Angesprochen ist in dieser Richtlinie auch eine ausgewogene Verteilung der Flüchtlinge unter ausdrücklich zwei Aspekten, nämlich die tatsächliche Aufnahme und Finanzierung. Allerdings enthält der entsprechende Ratsbeschluss keine genaue Vorgabe oder Finanzierungsregelung.

Die Massenzustrom-Richtlinie gewährt Geflüchteten einen befristeten Schutz, aber auch existenzsichernde Leistungen sowie den Personen unter 18 Jahren Zugang zum Bildungssystem. Hiermit werden elementare Grundbedürfnisse gesichert. Die daraus resultierenden Ansprüche sind jedoch gerade in Zeiten hoher Zuzugszahlen nur schwer erfüllbar.

Kommunale Forderungen mit Europa-Bezug sind insoweit die nach einer besseren und gerechteren Verteilung innerhalb der EU und nach einem einheitlichen oder einheitlicheren Sozialleistungsniveau zwischen den Mitgliedsstaaten, um Anreize zum Weiterwandern innerhalb der EU zu reduzieren.

Verteilung in Deutschland

In Deutschland beschreibt § 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) die staatlichen Aufgaben im Zusammenhang mit Zuwanderung so:

„Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland. Es ermöglicht und gestaltet Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie der wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Das Gesetz dient zugleich der Erfüllung der humanitären Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Es regelt hierzu die Einreise, den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern.“

Die Regelung beschreibt die aktuellen Zielsetzungen der Steuerung und Begrenzung, aber auch der Gestaltung von Zuwanderung und spricht auch die nötige Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit an. Gerade unter dem letztgenannten Aspekt müssen die Zuwanderung unter humanitären Aspekten (Aufnahme Geflüchteter) und der Zuwanderung in den Arbeitsmarkt insgesamt betrachtet werden. Denn eine starke Zunahme bei der Zahl Geflüchteter reduziert naturgemäß die Aufnahme- und Integrationsmöglichkeiten unter dem anderen Aspekt der arbeitsmarktpolitisch erwünschten Zuwanderung. Denn ankommende Menschen haben unabhängig vom Grund ihrer Zuwanderung Bedürfnisse wie Wohnen, die nicht unbegrenzt erfüllbar sind.

Die Unterbringung von Flüchtlingen ist derzeit (im Verhältnis zum Bund) Aufgabe der Länder.[13] Asylgesetz (AsylG) und Aufenthaltsgesetz (AufenthG) sehen für die Verteilung der Flüchtlinge auf die Bundesländer die Anwendung des sog. Königsteiner Schlüssels vor, soweit keine andere Regelung getroffen wird.

Der Königsteiner Schlüssel ist eine Schlüsselzahl, die sich aus zwei Komponenten zusammensetzt, die regelmäßig aktualisiert werden. Sie setzt sich zusammen zu zwei Dritteln nach dem Anteil des Landes am Steueraufkommen (nach Länderfinanzausgleich) und einem Drittel Bevölkerungsanteil des Landes.[14] Dieser Anteil lässt sich regelmäßig aktualisieren. Da hier eine Beteiligung nach Länderfinanzausgleich geregelt ist, entspricht der hessische Anteil des Königsteiner Schlüssels mit rd. 7,44%[15] in etwa dem Bevölkerungsanteil des Landes an der deutschen Bevölkerung (zuletzt rd. 7,6%).[16]

Kommunale Forderungen mit Blick auf Bund / Länder sind dabei:

  • Ankunftsgeschehen und Einschätzungen zur Entwicklung zwischen Bund, Ländern und Kommunen teilen: Hier hat der Bund ein sog. Migrations-Dashboard angekündigt.
  • Die Kommunalen Spitzenverbände vertreten auf Bundesebene einen Ansatz, Nationale Ankunftszentren zu schaffen für die Identifizierung, Registrierung, Gesundheitsuntersuchung und eine Entscheidung über Verteilung nach Bleibeperspektive. Aktuell gibt es Bestrebungen, dies nicht allein zwischen Bund und Ländern in Deutschland, sondern auf europäischer Ebene umzusetzen.[17] Eine Umsetzung auf europäischer Ebene wäre wirklich eine grundlegend positive Neuerung.
  • Die kommunale Seite fordert die vollständige Finanzierung der Unterbringung, aber auch Integration (Wohnraum, Integrationskurse, Kitas…) durch Bund und Länder.
  • Aus kommunaler Sicht nötig ist auch der Aufbau eigener Aufnahmekapazitäten durch Bund und Länder (Unterkunftsmöglichkeiten für Flüchtlings-Zustrom oder auch infolge von Katastrophen / Evakuierungen.
  • Unabdingbar ist die Rückführung von Personen ohne Bleibeperspektive und der Abschluss entsprechender Vereinbarungen mit wichtigen Herkunftsländern.
  • Insgesamt wichtig ist eine längerfristige gemeinsame Strategie aller Ebenen im Umgang mit Migrationsbewegungen. Denn Migration wird immer wieder ein Thema sein. Erforderlich sind daher dauerhafte, verlässliche und durchhaltbare Mechanismen für die Aufnahme, Unterbringung und Integration.

 

Die Gegebenheiten in Hessen

Da Aufnahme und Unterbringung aktuell Ländersache sind, werden in den Ländern die Grundlagen geregelt, die die entsprechenden Aufgaben zwischen Land und Kommunen aufteilen.

Hessische Regelungen

In Hessen sind zentrale Regelwerke das Landesaufnahmegesetz (LAufnG)[18] und Verteilungs- und Unterbringungsgebührenverordnung. Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen sind danach Pflichtaufgabe der Landkreise, Städte und Gemeinden.[19] Dabei hat sich das Land ein Weisungsrecht der Fachaufsichtsbehörde (allgemein und im Einzelfall) gegenüber den Kommunen vorbehalten.[20] Weiter enthält insbesondere das LAufnG Finanzierungsregelungen, indem es Pauschalzahlungen je Flüchtling des Landes an die Landkreise und kreisfreien Städte festlegt.[21]

Mit den Erstaufnahmeeinrichtungen betreibt das Land gewissermaßen Durchgangsstationen für ankommende Flüchtlinge. Sie verteilt das Regierungspräsidium Darmstadt als landesweit zuständige Behörde auf die Landkreise und kreisfreien Städte.[22] Die Landkreise ihrerseits können eine förmliche Weiterverteilung an die Städte und Gemeinden vornehmen, wobei dies nur im Benehmen mit den kreisangehörigen Kommunen zulässig ist[23] und mit einer Weiterleitung von Finanzmitteln an die Städte und Gemeinden zu verbinden ist.[24]

Die Verteilung innerhalb des Landes auf Landkreise und kreisfreie Städte regelt die Verteilungs- und Unterbringungsgebührenverordnung.

Die darin vorgesehene Aufnahmequote je Landkreis / kreisfreier Stadt soll sich v.a. nach Einwohnerzahl richten.[25]  Die aktuell gültige Verteilungs- und Unterbringungsverordnung[26] sieht eine Einteilung der Landkreise und kreisfreien Städte in einwohnerbezogene Größenklassen und damit gerade keine lineare Verteilung.

Die Aufnahmequote der nach § 1 Abs. 1 des LAufnG und der nach § 1 des Gesetzes über die Aufnahme und Unterbringung von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern aufzunehmenden Personen beträgt nach dieser Verordnung jeweils für die Landkreise und kreisfreien Städte mit

bis 100 000 Einwohner

1

Prozent

über 100 000 bis 150 000 Einwohner

2

Prozent

über 150 000 bis 200 000 Einwohner

4

Prozent

über 200 000 bis 250 000 Einwohner

4,5

Prozent

über 250 000 bis 300 000 Einwohner

5,5

Prozent

über 300 000 bis 400 000 Einwohner

6

Prozent

über 400 000 Einwohner

8,5

Prozent

Geregelt sind zudem Abschläge für kreisfreie Städte und Landkreise mit erhöhtem Anteil ausländischer Bevölkerung und Abschläge, soweit Erstaufnahmeeinrichtung(en) im Landkreis oder der kreisfreien Stadt vorhanden sind. Keine Berücksichtigung für die Verteilung innerhalb des Landes findet das Steueraufkommen (als Indikator von Wirtschaftskraft, also anders als beim Königsteiner Schlüssel). Ergebnis dieser seit langen Jahren fortgeführten Regelungen sind deutliche Verzerrungen in Form einer – verglichen zu ihrem Bevölkerungsanteil und Steuerkraft – Entlastung der kreisfreien Großstädte und eine entsprechende Höherbelastung der Landkreise und der kreisangehörigen Städte und Gemeinden.

Der HSGB fordert eine rasche kritische Überprüfung der Verteilungs- und Unterbringungsgebührenverordnung mit dem Ziel einer gleichmäßigeren Lastenverteilung, die Bevölkerungsanteil und Wirtschaftskraft der Großstädte besser berücksichtigt.

Keine gesetzlichen Vorgaben bestehen für den Fall, dass der Landkreis per Zuweisung eine Weiterverteilung an die Städte und Gemeinden verfügt. Nach Auffassung des HSGB ist es in vielen Fällen sinnvoll, auf förmliche Zuweisungen an die Städte und Gemeinden zu verzichten. Die Landkreise haben eher die kritische Größe, um die mit der Unterbringungsaufgabe zusammenhängenden Tätigkeiten mit spezialisiertem Personal zu erfüllen. Die Städte und Gemeinden bleiben zudem auch dort nicht untätig, wo die Landkreise die Unterbringung rein rechtlich betrachtet allein organisieren. Denn die Betreuung vor Ort ist in der Praxis weitestgehend auf der örtlichen Ebene organisiert und wird oft im Ehrenamt erbracht. In allen denkbaren und tatsächlich gelebten Gestaltungen sind Landkreis, Städte und Gemeinden aber auf gegenseitige Kooperation angewiesen.

Für die Praxis ist wichtig, dass Rechtsbehelfe gegen eine Zuweisung keine aufschiebende Wirkung haben (§ 2 Abs. 5 LAufnG). Die Kommunen müssen es bei den Zuweisungen also „nehmen wie es kommt.“

 

Finanzierungsregelungen in Hessen

Die Aufgaben von Aufnahme und Unterbringung werden in Hessen teils durch Pauschalzahlungen an die Landkreise und kreisfreien Städte mitfinanziert.

Für den Bereich Asyl zahlt das Land Pauschalen nach einer Anlage zum Landesaufnahmegesetz. Diese Pauschalen für Asyl o.ä. jährlich aufwachsend bis 2027 festgeschrieben, aber nur mit 1,5% p.a. dynamisiert. Die aktuelle Kostenentwicklung ist dynamischer, so dass hier eine Fortschreibung für die Restlaufzeit der Regelungen nötig ist.

Soweit Geflüchtete Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) erhalten, gibt es eine Einmalzahlung von 3.000 Euro, das sog. Integrationsgeld. Diese Summe wird nach der Neuregelung im Jahr 2020 nicht dynamisiert. Trotz einhelliger Ablehnung der Kommunalen Spitzenverbände hat das Land durch § 13 des Hessischen Teilhabe- und Integrationsgesetzes[27] außerhalb der Finanzierungsregelungen des LAufnG festgeschrieben, was in keiner Weise sachgerecht ist.

Weitere kommunale Forderungen in Hessen

Zwischen Bund, Ländern und Kommunen hoch strittig ist die Frage der Finanzierung der Aufgaben rund um Unterbringung und weitergehende Integration. Nach den aktuellen gesetzlichen Regelungen sind Aufnahme und Unterbringung Ländersache; in Hessen ist diese Aufgabe dann per Landesgesetz auf die kommunale Ebene delegiert. Entscheidend ist, dass hier die finanziellen Belastungen der Kommunen ausgeglichen werden. Letztverantwortlich für die Kommunalfinanzen ist dabei – wie immer nach der Finanzverfassung von Bund und Ländern – das Land.[28] Verfassungsrechtlich ist die Lage also so: Das Land muss die Finanzierung der kommunalen Aufgaben sicher stellen. Entstehen den Ländern dabei finanzielle Mehrbelastungen, muss der Bund ggfls. diese Länderlasten berücksichtigen, etwa bei der Umsatzsteuerverteilung (vgl. insb. Art. 106 Abs. 4 GG).

Bei den Kommunen sind mit Verpflichtungen wie der Zuständigkeit für die Kita-Versorgung, der Schulträgerschaft oder auch der Planungshoheit viele Aufgaben verortet, die über Aufnahme und Unterbringung hinaus einen weitergehenden Bezug zur Integration haben. Auch hier haben die Kommunen deutliche Forderungen nach mehr insbesondere finanzieller Unterstützung und realistischeren Regelungen an das Land adressiert, um Kinderbetreuung sicher zu stellen und das Wohnraumangebot zu stärken. 

Fazit und Ausblick

Wenn auch viele Fluchtursachen für die politisch Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen nicht oder kaum gestaltbar sind: Aufnahme, Unterbringung und Integration können auch in angespannter Lage verbessert werden. Bund und Länder müssen hier pragmatisch zusammenwirken und das Mögliche umsetzen und vor allem das Nötige bei den Kommunen möglich machen, mit umsetzbaren Anforderungen, Verzicht auf mehr Aufgaben und höhere Standards in anderen Bereichen und ausreichende Finanzausstattung.

Migration bleibt auf absehbare Zeit ein Thema. Steuern, begrenzen, bei Bedarf ermöglichen und die Aufnahme- und Integrationsfähigkeit der Gesellschaft nicht überfordern: Das bleibt eine anspruchsvolle Gestaltungsaufgabe für die politisch Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen. Nur gemeinsam ist sie befriedigend lösbar.

(Quelle HSGZ 06/2023, Autor: Dr. David Rauber, Geschäftsführer des HSGB)

[1] So die Jahresbilanz in der Pressemitteilung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat vom 11.1.2023, https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2023/01/asylantraege2022.html (Abruf: 20.4.2023).

[2] Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Aktuelle Zahlen, Ausgabe März 2023, S. 6.

[3] Eigene Berechnung und Darstellung auf Grundlage der Daten des BAMF (Fn. 2) und des Rats der EU (März 2022 bis März 2023, Abruf: https://www.consilium.europa.eu/de/infographics/ukraine-refugees-eu/ (Abruf 2.5.2023).

[4] Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und Bündnis 90/Die Grünen, LT-Drucks. 20/10884.

[5] Laskowski, Deutsches Asyl- und Flüchtlingsrecht im Europäischen Asylsystem, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 3, § 73 Rn. 83.

[6] vom 29.6.2013, mit vollem Namen: Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, Amtsblatt (EU) L 180/31 vom 29.06.2013.

[7] Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO.

[8] BVerwG, Beschl. v. 19.3.2014 Az. 10 B 6/14 – juris.

[9] Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO.

[10] Thomas Gutschker, Das Dublin-System krankt, FAZ vom 10.3.2023 S. 2.

[11] Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten, Amtsblatt L 212 vom 7.8.2001 S.12-23.

[12] Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382 des Rates vom 4. März 2022 zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine im Sinne des Artikels 5 der Richtlinie 2001/55/EG und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes, Amtsblatt (EU) L 71/1.

[13] § 44 AsylG / § 24 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG).

[14] Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags, Sachstand Verteilungsschlüssel bei Bund-Länder-Finanzierungen, Seite 10, Abruf: 10.03.2023 unter bundestag.de.

[15] https://www.bamf.de/DE/Themen/AsylFluechtlingsschutz/AblaufAsylverfahrens/Erstverteilung/erstverteilung-node.html (Abruf: 11.5.2023).

[16] Eigene Berechnung auf Grundlage der zum Bevölkerungsstand am 31.12.2021 vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Daten https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Bevoelkerungsstand/Tabellen/bevoelkerung-nichtdeutsch-laender.html (Abruf: 11.5.2023).

[17] Friederike Haupt, Faeser sieht „historisches Momentum“, FAZ vom 2.5.2023 S. 4.

[18] vom 5.7.2007 GVBl. I S. 399, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.3.2023, GVBl. S. 160.

[19] § 1 Abs. 1 LAufnG.

[20] § 6 LAufnG.

[21] § 7 LAufnG i.V.m. mit der Anlage dazu.

[22] § 2 Abs. 2 LAufnG.

[23] § 2 Abs. 2 Satz 2 LAufnG.

[24] § 7 Abs. 1 Satz 3 LAufnG.

[25] § 2 Abs. 1 LAufnG.

[26] vom 21.12.2009 GVBl. I S. 769, zuletzt bis 31.12.2024 in der Gültigkeit verlängert durch Gesetz vom 9.12.2022 GVBl. S. 752, 757.

[27] vom 22.3.2023 GVBl. S. 160.

[28] StGH, Urteil vom 21.05.2013 - P.St. 2361 -. StAnz. 2013, S. 747, 752.