Zukunft des ländlichen Raums

Landbewegung: Studie untersucht Zuwanderung in ländliche Regionen

Eine Studie des Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung sowie der Wüstenrot Stiftung kommt zu dem Ergebnis, dass im Zuge des Corona-bedingten Lockdowns Städte zunehmend an Attraktivität verloren haben. Gleichzeitig verändern sich Arbeitswelten und Arbeitskulturen gerade in einer Geschwindigkeit, die lange nicht vorstellbar war. 

 

Ob Deutschland nun am Anfang einer neuen Landbewegung steht, lässt sich derzeit noch nicht abschließend beantworten, da die Projekte, die untersucht werden, mehrheitlich zu frisch und ihre Zahl zu gering ist, um Aussagen über ihr langfristiges Veränderungspotenzial für den ländlichen Raum zu wagen. Um im Wettbewerb mit den Städten zu bestehen, empfehlen die Autoren der Studie, ländliche Gebiete endlich flächendeckend mit einem schnellen Internetzugang zu versorgen. Der DStGB unterstützt diese Forderung, wenn diese auch nach wie vor an der starken Auslastung der Bauwirtschaft bedingt umsetzbar sein dürfte.

In den letzten eineinhalb Jahren haben das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung und die Wüstenrot Stiftung insgesamt 56 Projekte, Initiativen und Netzwerke sowie deren Wirkung untersucht und in der nun vorliegenden Studie „Digital aufs Land“ beschrieben. Insbesondere für entlegene Regionen bestehe eine Chance, Menschen zurückzugewinnen, die in den letzten Jahrzehnten in die Ballungsräume gezogen sind, oder sogar bislang überzeugte Städter anzuziehen und somit auch dem demografischen Wandel entgegenzutreten.

Wie es in der Studie heißt, steigt das Interesse an einem Leben in Dörfern und Kleinstädten. So locken selbst in entlegene, touristisch kaum erschlossene Alpendörfer die Gemeinschaftsbüros des Vereins CoworkationALPS Stadtflüchtige in die Berge. Im strukturschwachen Nordhessen haben sich innovative Unternehmer und Gründer zum Netzwerk Homeberger zusammengeschlossen und werben mit neuen digitalen Chancen für ihre Region. Und im Project Bay auf der Insel Rügen können Städter temporäres Wohnen und Arbeiten mit Meerblick verbinden und das Landleben erproben.

Auch wenn unter Städtern das Interesse am Land wächst, so kommen die Autoren der Studie zu dem Ergebnis, dass nicht alle dauerhaft auf Stadtleben verzichten wollen. Gerade Menschen, die in Kreativ- und Wissensberufen tätig sind, schätzen die Vorteile aus beiden Welten. Angebote wie Workation, Coliving oder auch das Landleben auf Zeit beim sogenannten Summer of Pioneers ermöglichen es ihnen, temporär auf dem Land zu leben und zu arbeiten. Nach Einschätzung der Autoren der Studie beginnen die Menschen, beide Lebensmodelle miteinander zu kombinieren.

Gemeinschaftliche Wohnprojekte seien Beispiele dafür, wie in Leerstand oder auf Brachflächen neues Leben einziehen kann. In alten Vierseithöfen oder Industrieruinen, aber auch mit Neubauten im Miniaturformat, sogenannten Tiny Houses, bauen sich Gleichgesinnte ein gemeinschaftliches Lebensumfeld auf. Viele engagierte Macherinnen und Macher starten Angebote, die sie selbst in den Dörfern und Kleinstädten vermissen, und bereichern damit das Landleben auch für andere. In sogenannten Kreativorten eröffnen sie Hightech-Werkstätten für Kinder, organisieren Festivals oder schaffen Räume für Workshops, Konzerte und Treffen aller Art. Inzwischen wagen es auch Gründerinnen und Gründer, ihre innovativen Geschäftsideen auf dem Land zu verwirklichen. Damit bringen sie nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung ländlicher Räume voran, sondern schaffen auch neue Arbeitsmöglichkeiten sowohl für Einheimische, die auf der Suche nach einem Job sonst wegziehen müssten, als auch für potenzielle neue Landbewohner.

Zunehmend würden auch Bürgermeister vom Gründergeist inspiriert. Statt leerstehende Gebäude zu verkaufen, entwickeln sie selbst Ideenschmieden und Coworking Spaces und machen ihre Gemeinde so für Einheimische und Zuziehende attraktiver.

 

Anmerkung des DStGB

Neben dem flächendeckenden Ausbau des Glasfasernetzes in Deutschland müssen Gesetzgeber und Arbeitgeberverbände ebenfalls die Voraussetzungen schaffen, hybrides Arbeiten in ländlichen Regionen zu ermöglichen. Wie die Studie zeigt, wollen viele Menschen auch die Verbindung in die Metropolen aufrechterhalten. Um den ländlichen Raum als Wohnort zu stärken, bedarf es daher der besseren verkehrlichen Anbindung etwa zugunsten der Pendler. Ein großes Potenzial besteht hier in der Reaktivierung existierender Bahnstrecken und Bahnhöfe. Die bessere verkehrliche Anbindung bewirkt zugleich, dem Tourismus nach der Corona-Krise zum Neustart zu verhelfen.

Die DStGB-Kernforderungen zur integrierten ländlichen Entwicklung sind zu finden unter: www.dstgb.de

Die Studie ist kostenfrei zu beziehen unter ww.berlin-institut.org

(DStGB, 28.04.2021)