Aufbruch zu Intelligenten Infrastrukturen - Ergebnisse des Symposiums des Münchner Kreises am 24./25. Juni 2015
Auf dem Fachsymposium des MÜNCHNER KREIS und des Forschungsverbund Intelligente Infrastrukturen und Netze in Zusammenarbeit mit der Metropolregion Rhein-Neckar diskutierten am 24. und 25. Juni in Heidelberg Wissenschaft, Politik und Wirtschaft unter der Überschrift „Neues Denken und Handeln für Infrastrukturen“ die offenkundigen und zukünftigen Auswirkungen des digitalen Wandels auf die Basisinfrastrukturen Verkehr, Gesundheit, Energie, Verwaltung, Bildung und Kommunikation.
Zusammenfassung und Botschaften
Die Versorgungsbasisinfrastrukturen Verkehr, Gesundheit, Energie, Verwaltung, Bildung und Kommunikation sind ein entscheidendes Fundament unserer Gesellschaft: Mit dem größten Gesamtbudget und Arbeitsplatz-Reservoir im Staat baut darauf das gesamte tägliche Leben, das Gemeinwohl und die Wirtschaft auf. Nicht nur, dass wir eminenten Handlungsbedarf zur Erhaltung bestehender Infrastrukturen haben; alle diese Infrastrukturen werden durch digitale Technologien einem fundamentalen Wandel unterzogen und damit Planung, Funktionalität, Prozesse und Arbeitsplätze grundlegend verändert. Diese Prozesse dürfen in und zwischen den oben genannten Domänen nicht weiterhin isoliert, unabgestimmt und ohne ein umfassendes Systemverständnis fortgeführt werden.
Die tiefgreifenden Vorteile, die die vertikale und horizontale Konvergenz der Infrastrukturen mit Hilfe der IK-Technologien induziert, werden erst mit dem neuen Systemdenken in verbundenen Infrastrukturen erkenn- und realisierbar. Effizienz sowie volks- und betriebswirtschaftlicher Nutzen durch den IKT-Einsatz stellen einen ebenso wichtigen Impuls für das Umdenken und Handeln dar wie die Verantwortung dafür, die Infrastrukturen langfristig als verbundene Plattformen für zukünftige, darauf aufbauende Funktionen und Dienste zu entwickeln und die Perspektive, mit „Made in Germany für Infrastrukturen“ weltweite Produkt- und Leistungsakzente zu setzen.
Auftaktveranstaltung mit der Modellregion Rhein Neckar am 24. Juni 2016
Bereits am Vorabend des Symposiums näherten sich die Veranstalter dem Themenkreis „Wert und Wandel öffentlicher Infrastrukturen in Zeiten fortschreitender Digitalisierung“ aus einer grundsätzlichen Sicht. Im bis zum letzten Platz gefüllten Spiegelsaal des Prinz Carl Palais in Heidelberg zeigte Luka Mucic (Vorstandsvorsitzender des Vereins Zukunft Metropolregion Rhein-Neckar e.V. und Mitglied des Vorstandes der SAP SE) eindringlich die Bedeutung digitaler Infrastrukturen für die Zukunftsfähigkeit der Rhein-Neckar Region auf. Prof. Dr. Klaus Mainzer (TU München) – einer der führenden deutschen Technologiephilosophen – analysierte den bevorstehenden Wandel der Infrastrukturen durch IKT im Spannungsfeld zwischen Technik, Ethik und wirtschaftlichen Zielsetzungen. In seinem flammenden Appell für die dringende Notwendigkeit eines systemübergreifenden Denkens konkretisierte er ein neues Werteverständnis der Infrastrukturen. Wie sich ihre Bedeutung gemäß unseres Gesellschaftsverständnisses nachhaltig stärken lässt, erörterte er im Anschluss gemeinsam mit Franz-Reinhard Habbel (Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindetag) und Prof. Dr. Lutz Heuser (Urban Software Institut) in einer von Jens-Rainer Jänig (mc-quadrat) moderierten lebhaften Diskussion.
Das MÜNCHNER KREIS Symposium „Aufbruch zu Intelligenten Infrastrukturen“ am 25. Juni 2015 in der Print Media Academy Heidelberg machte deutlich, dass Reparatur und zeitgenössische Modernisierung im bisherigen Verständnis für unsere Infrastrukturen nicht mehr ausreicht, um den bevorstehenden Wandel verantwortungsvoll zu steuern.
Botschaften des Symposiums
- Die (Daten-/Konvergenz-)Schätze unter deutschen Amtsstuben heben
Dr. Peter Knauth (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) betonte, dass die systematische Digitalisierung und Vernetzung zentrale Aktionsfelder der Digitalen Agenda der Bundesregierung sind. IK-Technologien haben das Potential, langfristig Betriebs- und Unterhaltskosten der Infrastrukturen zu senken, u.a. die Resilienz von Versorgungssystemen zu stärken und insgesamt eine wertvollere und unverzichtbare Basis für zukünftiges wirtschaftliches und gesellschaftliches Handeln in der digitalen Welt zu bilden. Dies bedarf jedoch des entschlossenen Handelns von Staat und Politik im Zusammenwirken mit den Ländern und Regionen.
- Neues Systemdenken für zukünftige Infrastrukturen und Netze
Prof. Dr. Arnold Picot (LMU München) stellte klar, dass es eine wesentliche Herausforderung ist, über die einzelnen Domänen hinaus ein ganzheitliches Systemdenken der Infrastrukturen zur Ausgangsbasis zu machen. Erst dann kann eine vertikale und horizontale Konvergenz der Infrastrukturen zwei strukturelle Digitalisierungsvorteile ausspielen: Effizienz und neue Funktionalitäten der Infrastrukturen einerseits sowie die Basis für neue Dienste und Metainfrastrukturen, wie SmartCity oder SmartCar, andererseits. Dieses Denken muss aber über die technischen und funktionellen Fragen hinaus den ordnungspolitischen, rechtlichen, gesellschaftlichen und internationalen Rahmen mit erfassen.
- Staat und Politik als Wegbereiter und Nutzer der digitalen Transformation hin zu Intelligenten Infrastrukturen
Die Intelligenten Infrastrukturen rücken immer weiter ins Zentrum des politischen Interesses. Um den Wandlungsprozess zu unterstützen, sollen nach Dr. Peter Knauth (BMWi) Anreize statt Regulierung die Entwicklung beschleunigen. Dabei reicht das Spektrum von Enabling-Maßnahmen (www.netze-neu-nutzen.de) und einem IT-Gipfel über Kosten-Nutzen Analysen bis hin zu innovativen Finanzierungs- und Betreibermodellen oder der Einrichtung von Innovations- und Modellregionen für die intelligente Vernetzung öffentlicher Basisinfrastrukturen. Deutlich wurde, dass die digitale Transformation einen grundsätzlichen Wandel beim Umgang mit Infrastrukturen in Deutschland erfordert. Dies gilt sowohl für die Erfüllung eigener Staatsaufgaben als auch als Wegbereiter für Wirtschaft und Gesellschaft.
- Big Data und Intelligent Services als Konvergenzrendite
Ein neuer Dialog der Infrastrukturen ist eine Schlüsselvoraussetzung, um die Konvergenz in und zwischen den Infrastrukturen zu initiieren und die Systemvorteile zu nutzen. Dass dieser Dialog funktioniert, haben fünf Vertreter der verschiedenen Basisinfrastrukturen unter der Moderation von Jens-Rainer Jänig (mc-quadrat) gezeigt. Sie diskutierten, welchen Nutzen jede einzelne Infrastruktur von anderen haben kann, um letztlich Ansatzpunkte für Konvergenzrendite auszuloten. In Bezug auf die vertikale Konvergenz zählen hierzu zum einen die Selbstähnlichkeit der Infrastrukturen, die analoge, mehrfach nutzbare Architekturen und Funktionalitäten erkennen lassen. Zum anderen gibt es zahlreiche Anknüpfungspunkte für die horizontale Konvergenz: Mobilitätsdaten, GIS-System- und Datenbasis, Identifikationsverfahren, Stammdatenformate, Abrechnungsprozesse und sichere Datenkommunikation.
- Infrastrukturkultur: Europäische Kultur, Werte und Produkte
Die Entwicklung Intelligenter Infrastrukturen bietet die Chance, den Wert der Infrastrukturen als Kulturgut in unserer Gesellschaft zu modernisieren. Folgt man Prof. Dr. Lutz Heuser, können dabei die Infrastrukturen der Validierungspunkt ethisch-rechtlicher Fragen und Normen mit längerfristiger Entwicklungsperspektive für die Zukunft unserer Gesellschaft sein.
- Pilotierungen und „Rollout“ Strategien
Der langjährige Mitgestalter des Nationalen IT-Gipfels Jens Mühlner (Deutsche Telekom AG) mahnte zur Eile. Der Befund ist schon lange Zeit klar: Über alle Infrastrukturen hinweg wird die Lücke zwischen verfügbaren und eingesetzten Technologien täglich größer. Deutschland verfügt über die Zutaten, die es braucht, um den Weg in eine digitale Gesellschaft erfolgreich zu gehen und davon zu profitieren. Aber wir sind zu langsam, obgleich die Pilotrealisierung vertikaler Lösungen und die notwendige Technik ausreichend vorhanden sind. Nun müssen wir den Rollout in die Fläche angehen und zeigen, wie Konvergenzimplementierungen auf Basis der richtigen Rahmenbedingungen umgesetzt werden können.