Neue Bundeskompetenz für Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung?
Am 27.03.2017 fanden die beiden abschließenden von insgesamt sechs Anhörungen im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages zu dem Gesetzgebungspaket im Rahmen der Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen statt.
Die geplanten Vorhaben zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung und die vorgesehene neue Infrastrukturgesellschaft Verkehr standen zur Beratung an. Der DStGB hat klar gemacht, dass bei einer Beteiligung der Städte und Gemeinden deren Kosten voll ausgeglichen werden müssen und vorhandene kommunale E-Government-Lösungen nicht entwertet werden dürfen.
Diese Vorhaben sind beide Teil der Gesetzespakete der Bundesregierung (BT-Drs. 18/11131, 18/11135) zur Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Geplant ist, durch eine Regelung im Grundgesetz und ein Onlinezugangsgesetz Bund und Länder dazu zu verpflichten, ihre Verwaltungsleistungen, wenn geeignet, digital anzubieten. Die Verwaltungsportale von Bund und Ländern sollen in einem Portalverbund zusammengeführt werden. Bürger sollen so einen einheitlichen Zugang zu den Verwaltungsleistungen erhalten. Für die Umsetzung sind fünf Jahre vorgesehen. In der Anhörung wurde unter anderem auf Fragen der Abgeordneten zu datenschutzrechtlichen Aspekten, der Akzeptanz von E-Government-Angeboten, Regelungskompetenzen und der Rolle des IT-Planungsrates eingegangen.
Kontrovers diskutiert wurde auch die Einbindung der Kommunen. Vertreter der kommunalen Spitzenverbände stellten sich gegen eine starre Verpflichtung der Städte und Gemeinden. Auch die Kommunen hätten ein Interesse daran, den E-Government-Sektor voranzubringen, sagte Uwe Zimmermann für den Deutschen Städte- und Gemeindebund. Das dürfe aber nicht dazu führen, dass die bestehenden Angebote entwertet würden. Die Beteiligung der Kommunen an einem Portalverbund müsse auf freiwilliger Grundlage geregelt werden und zudem ein vollständiger Kostenausgleich für die Kommunen durch Bund und Länder sichergestellt werden. Helmut Fogt vom Deutschen Städtetag betonte ebenfalls, dass sich die Kritik nicht gegen das Vorhaben als solches, sondern gegen das geplante Gesetz richte. Es sei zudem ein Missverständnis zu glauben, dass sich die notwendigen Investitionen durch einen Effizienzgewinn aufheben. Die Kosten bestünden auch nicht nur bei der Einführung, sondern dauerhaft.
Thorsten Siegel (Freie Universität Berlin) hingegen sagte, dass eine freiwillige Beteiligung der Kommunen nicht ausreichend wäre. Der Artikel 91c Grundgesetz rechtfertige eine verpflichtende Einbindung der Kommunen im Sinne der Harmonisierung. Vorgaben zu IT-Komponenten sollten aber auf das "erforderliche Maß" begrenzt werden. Eine Ausnahme soll nach Ansicht Siegels für Leistungen gelten, die rein auf Grundlage der kommunalen Selbstverwaltung basierten. Der Rechtswissenschaftler schlug zudem vor, die anfallenden Kosten insbesondere für die kommunale Ebene zu kompensieren.
Die geplante Ergänzung des Grundgesetzartikels 91c zum Zusammenwirken von Bund und Ländern und Kommunen bei Planung, Errichtung und Betrieb informationstechnischer Systeme war zudem ein Thema der Antwort der Bundesregierung (BT-Drs. 18/11477) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (BT-Drs. 18/11315). Darin verwies die Fraktion darauf, dass der Entwurf dem Bund die Zuständigkeit für die Gesetzgebung zum "übergreifenden informationstechnischen Zugang zu den Verwaltungsleistungen von Bund und Ländern" übertrage. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort ausführt, konnten im Rahmen der nach Artikel 91c des Grundgesetzes vorgesehenen Kooperation von Bund und Ländern im Bereich der IT der Verwaltung "Fortschritte bei Standardisierung und Koordinierung der Bund/Länder-IT in den vergangenen Jahren nur langsam erreicht werden". So zeigten "Benchmarks wie der E-Government-Benchmark-Bericht der Europäischen Kommission Deutschland lediglich im Mittelfeld, was zum langfristigen Erhalt einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft und unseres Wohlstands nicht ausreichend erscheint". Für eine schnellere digitale Fortentwicklung aller Verwaltungsträger solle daher der Grundgesetzartikel 91c um eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich der digitalen Verwaltung erweitert werden.
Detaillierte Position des DStGB
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) begrüßt die mit der Ergänzung des Artikels 91c GG verfolgte Absicht der Bundesregierung, das Onlineangebot für elektronische Verwaltungsleistungen weiter auszubauen und dafür die Portale von Bund und Ländern elektronisch zu verknüpfen. Ziel sollte die Beschleunigung der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung im Rahmen der föderalen Struktur in Deutschland sein. Wir unterstützen auch die Zielsetzung, nutzerorientiertes E-Government in Deutschland voranzubringen und flächendeckend elektronische Verwaltungsdienste über eine interoperable föderale IT-Infrastruktur anzubieten. Die Einrichtung von Nutzerkonten als Identifizierungskomponente für alle Verwaltungsleistungen des Bundes, der Länder und der Kommunen wird von uns ebenso unterstützt wie die Standardisierung von Prozessen und Schnittstellen. Allerdings werden sowohl in den Ländern als auch in den Kommunen bereits heute Verwaltungsportale und elektronische Services von Bürgerinnen und Bürgern sowie von Unternehmen genutzt. Statt zentraler Vorgaben scheint uns die Schaffung interoperabler und dezentraler Lösungen der richtige Weg zu sein. Grundsätzlich unterstützt der Deutsche Städte- und Gemeindebund die Schaffung eines Portalverbundes, über das Verwaltungsdienstleistungen des Bundes, der Länder und Kommunen den Nutzern elektronisch zur Verfügung gestellt werden können. Die Vernetzung der bislang heterogenen und aus vielen Insellösungen bestehenden IT- und E-Government-Strukturen bei Verwaltungsleistungen von Bund, Ländern und Kommunen ist überfällig und muss angegangen werden. Das Vorgehen kann merklich zur Entlastung und Erhöhung der Leistungsfähigkeit und zur Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft mit der kommunalen Verwaltung beitragen. Dies ist nicht zuletzt auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland von erheblicher Bedeutung. Unerlässliche Voraussetzung ist jedoch, dass die kommunale Ebene bei der Umsetzung dieser und auch künftiger Vorhaben dauerhaft und auf Augenhöhe mit Bund und Länder eingebunden wird, ihr ein eigener Handlungs- und Organisationsspielraum im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung erhalten bleibt und finanziell stärker durch Bund und Länder unterstützt wird.
Konkret sei zu Artikel 9 des Begleitgesetzes zum Gesetz zur Verbesserung des Online-Zugangs zu Verwaltungsleistungen hinsichtlich der Paragraphen 1 und 2 (Ziele und Grundsätze des Portalverbundes) angemerkt, dass die Schaffung eines einfachen, flächendeckenden Zugangs für die Bürgerinnen und Bürgern und die Wirtschaft zu sämtlichen bestehenden und neu zu schaffenden Verwaltungsleistungen von Bund, Ländern und Kommunen ein ambitioniertes, aber machbares Ziel ist, welches von der kommunalen Seite unterstützt wird. Es entspricht einer kommunalen Forderung, dass die zahlreichen vorhandenen Verwaltungsportale von Bund, Ländern und Kommunen nicht ersetzt, sondern weiterbestehen und miteinander kompatibel gemacht werden sollen. Statt zentraler Lösungen sollte die Interoperabilität hergestellt werden. Kommunen haben bereits vor zwei Jahrzehnten damit angefangen, solche Portale aufzubauen und zu pflegen, nicht zuletzt da seitens des Bundes und der Länder keine einheitlichen Lösungen angeboten wurden. Diese Anstrengungen dürfen, auch im Hinblick auf den Investitionsschutz und bereits abgeschlossener Verträge, keinesfalls entwertet werden.
Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehenen Verpflichtungen der Kommunen werden vom Deutschen Städte- und Gemeindebund folglich außerordentlich kritisch gesehen. Wir begrüßen daher den Änderungsvorschlag des Bundesrates, durch Anfügung des § 1 Abs. 3 den Gemeinden die Möglichkeit einzuräumen, dem Portalverbund freiwillig beizutreten.
Allerdings bleibt der Umstellungs- und Investitionsbedarf, insbesondere für einheitliche IT-Anwendungen, Basisdienste und die elektronische Realisierung von Standards, Schnittstellen und Sicherheitsvorgaben, in personeller als auch finanzieller Hinsicht für Kommunen enorm und ohne einen vollständigen Kostenausgleich seitens des Bundes und der Länder nicht darstellbar. Den Kommunen fehlen dazu die erforderlichen Kapazitäten. Zudem wird erwartet, dass für die im Gesetzesentwurf Ländern und damit mittelbar auch den Kommunen auferlegte gesetzliche Verpflichtungen der Erfüllungsaufwand für die Kommunen konkretisiert wird.
Infrastrukturgesellschaft Verkehr
Zum Artikel 12 „Gesetz zur Errichtung einer Infrastrukturgesellschaft Verkehr“ hat der DStGB die Forderung eingebracht, dass der Bund Mittel aus dem Gebührenaufkommen nach dem Bundesfernstraßenmautgesetz und dem Infrastrukturabgabengesetz an alle Träger der Straßenbaulast zur Verfügung stellen kann. Also namentlich auch für die Gemeinden als Straßenbaulastträgerinnen für die Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen.
(DStGB, Uwe Zimmermann, 29.03.2017)