Eckpunkte zur Novellierung der Anreizregulierung für moderne Verteilernetze
Das Bundeswirtschaftsministerium hat ein Eckpunktepapier „Moderner Regulierungsrahmen für moderne Verteilernetze“ veröffentlicht. Kernstück ist die Novelle der Anreizregulierungsverordnung. Sie legt für die regulierten Netzbetreiber - auch aus dem kommunalen Bereich - fest, wie viel Geld sie für den Betrieb und die Erweiterung ihrer Energienetze über die Netzentgelte von den Netznutzern einnehmen dürfen. Mit der Novellierung sollen Investitionsbedingungen verbessert und Effizienzanreize gestärkt werden. Vorgesehen ist dort eine deutliche Verschärfung für kleinere Verteilnetzbetreiber im vereinfachten Verfahren, als auch beim Effizienzvergleich im Regelverfahren. Aus kommunaler Sicht werden solche Ansätze eindeutig abgelehnt. Sie führen zu einem ohnehin bereits bestehenden unverhältnismäßig hohen bürokratischen Aufwand kommunaler Netzbetreiber. Sinnvolle regulatorische Ansätze zur Förderung der dezentralen und energieeffizienten Energieerzeugungs- und Versorgungsstrukturen würden dadurch ausgehebelt.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat Eckpunkte für einen "Modernen Regulierungsrahmen für moderne Verteilernetze" vorgestellt. Der energieregulatorische Rahmen für die Strom- und Gasnetzbetreiber, die sog. Anreizregulierung, soll auf der Grundlage novelliert und noch stärker energiewendetauglich machen.
Das System der Anreizregulierung habe sich in der Vergangenheit zwar bewährt. Die Energiewende verändere jedoch zunehmend die Aufgaben und die Struktur der Verteilernetzbetreiber. Ca. 80 Prozent der installierten EEG-Leistung werde von Verteilernetzbetreibern aufgenommen. Neben neuen Aufgaben ergäbe sich daraus ein erheblicher Investitionsbedarf. Mit den vorgelegten Eckpunkten sollen notwendige Investitionen effizient getätigt werden können.
Den Eckpunkten vorangegangen ist der Evaluierungsbericht der Bundesnetzagentur mit Vorschlägen zur weiteren Ausgestaltung der Anreizregulierung, der im Januar 2015 der Bundesregierung vorgelegt wurde (vgl. DStGB-Aktuell Nr. 0515-07).
Wesentliche Eckpunkte
Das BMWi setzt dabei folgende Schwerpunkte:
- Investitionsbedingungen verbessern
Um die Investitionsbedingungen für den erforderlichen Aus- und Umbau der Verteilernetze zu erleichtern, soll der Zeitverzug zwischen dem Tätigen der Investition und ihrer Anerkennung im Rahmen der Erlösobergrenze für das Instrument des Erweiterungsfaktors beseitigt werden. Vorgesehen und geprüft werden sollen zudem Investitionserleichterungen für besonders geforderte Verteilernetze sowie für Investitionen in intelligente Technologien und Netze. Das Investitionsverhalten der Netzbetreiber soll zudem durch ein fortlaufendes Monitoring beobachtet werden.
- Effizienzanreize stärken
Mit einem Effizienzbonus sollen Anreize dafür gesetzt werden, dass Investitionen in intelligente Technik, deren Nutzen gegebenenfalls sich nicht voll innerhalb einer laufenden Regulierungsperiode realisieren, getätigt werden. Besonders „effizienten“ Netzbetreibern soll damit in der folgenden Regulierungsperiode Mehrerlöse gewährt werden. Die Auswahl der Vergleichsparameter für den Effizienzvergleich soll künftig vollständig der Bundesnetzagentur überlassen werden, um die zunehmende Vielfalt der Netzbetreiber schon bei der Festlegung der Vergleichsparameter oder Vergleichsparameterkombinationen möglichst realistisch berücksichtigen zu können. Die Ermittlung des maßgeblichen Effizienzwertes soll gestrafft und so die Effizienzanreize verstärkt werden. Zukünftig wird daher auf den durchschnittlichen Effizienzwert abgestellt.
- Verfahren vereinfachen
Das BMWi hält die für das vereinfachte Verfahren einschlägige Schwellenwerte nicht mehr für angemessen. Eine Absenkung der bestehenden Schwellenwerte auf 7.500 angeschlossene Kunden für Gasnetzbetreiber und 15.000 angeschlossene Kunden für Stromnetzbetreiber werde geprüft. Der prozentuale Anteil der Netzbetreiber, die vom vereinfachten Verfahren Gebrauch machen würden, sei mit ca. 80 Prozent spartenübergreifend sehr hoch und stoße auch bei der Europäischen Kommission auf rechtliche Bedenken. Die Zahl der Netzbetreiber im regulären Verfahren zu erhöhen sei sinnvoll, da dies den Effizienzvergleich noch belastbarer machen würde und zudem die Chance bestünde, weiterhin vorhandene Ineffizienzen zu heben. Zudem sei dies auch zumutbar, da der Aufwand für die Netzbetreiber im Rahmen des regulären Verfahrens insgesamt gesunken ist.
- Transparenz erhöhen
Das BMWi möchte mit weiteren Veröffentlichungspflichten der Netzbetreiber das Informationsinteresse der Investoren befriedigen. Öffentlich zugängliche Informationen über Versorgungsunterbrechungen sollen darüber hinaus dazu beitragen, dass die Versorgungsqualität in Deutschland auch zukünftig überdurchschnittlich hoch bleibe.
- Qualität aufrechterhalten
Um die Qualität der Versorgung mit Strom sicherzustellen, soll die Bundesnetzagentur auch im Bereich der Kurzunterbrechungen, d. h. bei Versorgungsunterbrechungen von weniger als 3 Minuten, durch ein Monitoring beobachten.
Bewertung
Aus kommunaler Sicht ist der Ansatz, die Investitionsbedingungen für die Modernisierung und Anpassung der Verteilnetze an die Anforderungen der Energiewende zu verbessern und den bislang bestandenen Zeitverzug bei der Anerkennung der damit verbundenen Kosten zu beseitigen, grundsätzlich begrüßenswert. Allerdings stoßen insbesondere die in den Eckpunkten vorgesehenen drastischen Verschärfungen sowohl für kleinere Netzbetreiber im vereinfachten Verfahren als auch beim Effizienzvergleich für Unternehmen im Regelverfahren auf deutliche Ablehnung. Für die kleinen Unternehmen im vereinfachten Verfahren werden die Schwellenwerte halbiert, so dass zukünftig deutlich mehr Unternehmen den Bürokratieaufwand des Regelverfahrens meistern müssten. Durch verschärfte Rahmenbedingungen würden sinnvolle regulatorische Ansätze zur Förderung der dezentralen und energieeffizienten Energieerzeugungs- und Versorgungsstrukturen, wie das vereinfachte Verfahren und die De-Minimis-Regeln für kleine Verteilnetzbetreiber, ausgehebelt. Bereits im existierenden Regulierungssystem können gerade kleinere Netzbetreiber nur mit erheblichem personellem und finanziellem Einsatz die Vorgaben der Energieregulierung erfüllen. Insofern kann die Aussage des BMWi, dass der Aufwand für die Netzbetreiber im Rahmen des regulären Verfahrens insgesamt gesunken ist, aus kommunaler Sicht gerade nicht bestätigt werden.
Bereits 2014 hat sich die Bundesnetzagentur in ihrem veröffentlichten Erfahrungsbericht (vgl. DStGB-Aktuell Nr. 1314-08) implizit für die Abschaffung des sog. vereinfachten Verfahrens und der De-Minimis-Regeln für kleinere Verteilnetzbetreiber mit dem Argument ausgesprochen, dass kleinere Netzstrukturen zu einer Zersplitterung der Netze und Rekommunalisierungsbestrebungen zu vermeintlichen Ineffizienzen führen würden, ohne dies durch Fakten belegen zu können. Der Ausschuss für Finanzen und Kommunalwirtschaft des DStGB hat sich bereits durch einen Beschluss im April 2014 gegen solche Verschärfung aus den oben genannten Gründen ausgesprochen. Das BMWi ist diesem Ansatz in ihrem darauffolgenden Evaluierungsbericht auch nicht gefolgt, insofern überrascht der Vorschlag einer Absenkung der Grenzen für das vereinfachte Verfahren an der Stelle. Es mangelt an einer ausführlichen Begründung hierfür. Zum anderen steht dies auch im Widerspruch zum Koalitionsvertrag, wonach der Aus- und Umbau der Verteilnetze zum Rückgrat der Energiewende erklärt wurde und die Ziele der Energiewende auf der dezentralen Ebene gefördert werden sollen. Selbst die eigene BMWi-Verteilernetzstudie (vgl. DStGB-Aktuell Nr. 3814-07) kommt zu dem Schluss, dass die notwendigen Investitionen kurzfristig – d. h. innerhalb der nächsten Dekade – erfolgen müssen, damit die volkswirtschaftlichen Kosten gering gehalten werden können und die Versorgungssicherheit nicht beeinträchtigt wird.
(DStGB-Aktuell 1315 vom 27.03.2015)