Fachinformationen Europa

Erklärung der Deutschen Sektion des RGRE zur Corona-Pandemie vom 21.07.2020

Die Corona-Pandemie stellt eine in dieser Art nie zuvor dagewesene Herausforderung dar. Die Auswirkungen für Europa, den europäischen Zusammenhalt und für die Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union sind in ihrer Gesamtheit noch nicht absehbar.

Es ist jedoch klar, dass die Folgen tiefgehend und langfristig sein werden.

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Vor diesem Hintergrund hat die Deutsche Sektion des Rates der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) im Rahmen ihrer außerordentlichen Präsidiums- und Hauptausschusssitzung im Juli 2020 eine Erklärung zur Corona-Pandemie verabschiedet. Unter dem Titel „Die Corona-Pandemie gemeinsam meistern – Europa gemeinsam wieder stark machen“ adressiert die Erklärung die zentrale Bedeutung von Solidarität und von offenen Grenzen als Kernelemente Europas. Sie betont, dass die Krise zur Chance für die Zukunft Europas werden kann.

Die Corona-Pandemie gemeinsam meistern – Europa gemeinsam wieder stark machen

Die Corona-Pandemie ist eine Bewährungsprobe für Europa und den europäischen Zusammenhalt. Die Herausforderungen können wir nur gemeinsam meistern. Vor 70 Jahren wurde mit dem Schuman-Plan der Grundstein für die Europäische Union gelegt. Seitdem verbindet uns Europäerinnen und Europäer nicht nur unsere Geschichte, sondern ein gemeinsamer Wertekanon. Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gehören zu unserer Gesellschaft, die sich durch Pluralismus, Toleranz und Solidarität auszeichnet.

Mit Besorgnis haben wir zu Beginn der Corona-Pandemie das Erstarken von nationalen Egoismen und nationalstaatlichem Denken wahrgenommen. Solidarität und grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten kamen nur langsam in Schwung. 25 Jahre nach dem Inkrafttreten des Schengener Abkommens fanden wir uns in einem Europa der geschlossenen Grenzen und der Grenzkontrollen wieder.

Partnerschaftsarbeit der Kommunen: Solidarität ermöglichen

Solidarität und Zusammenhalt waren noch nie so wichtig wie heute. Die Städte, Landkreise und Gemeinden zeigen ihre Solidarität - insbesondere mit den Kommunen in den am stärksten betroffenen Ländern. Trotz großer Herausforderungen leisten sie partnerschaftlich pragmatische Unterstützung. Für diese konkrete Hilfe sollte den Kommunen der notwendige Freiraum gegeben werden. Gerade in der Krise zeigt sich die Belastbarkeit und Stärke der Beziehungen. Es bewähren sich die engen, über Jahrzehnte gewachsenen Verbindungen von Städten und Regionen in den Grenzräumen. Die Solidarität der Kommunen endet nicht an Europas Grenzen. Weltweit arbeiten Kommunen partnerschaftlich zusammen. Getragen werden sie von den vielen aktiven Bürgerinnen und Bürgern.

Grenzschließungen: Kohärenter Ansatz erforderlich – gemeinsamen Lebensraum berücksichtigen

Offene Grenzen sind eine zentrale Errungenschaft Europas. Sie stehen für Zusammenleben, Zusammenarbeit, für Begegnung und Freundschaft. Die Corona-Pandemie macht nicht an unseren Grenzen halt. Geschlossene Grenzen bedeuten eine besondere Belastung für die über lange Zeit gewachsene alltägliche Zusammenarbeit in den Grenzregionen, die auch einen gemeinsamen Lebensraum bieten. Der Rat der Gemeinden und Regionen Europas/ Deutsche Sektion (RGRE) betont die Bedeutung und die Notwendigkeit des freien Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs. Kontrollen an den Binnengrenzen der Europäischen Union können nur temporäre Maßnahmen darstellen, um die Ausbreitung der Corona-Pandemie einzudämmen. Einseitige Grenzschließungen müssen in Zukunft vermieden werden. Grenzöffnungen und etwaige künftige Grenzschließungen bedürfen eines kohärenten Ansatzes. Die besondere Situation der Grenzregionen sollte durch eine engere Einbindung und Konsultation der lokalen und regionalen Ebene berücksichtigt werden. So kann auch sichergestellt werden, dass der gemeinsame Lebensraum nicht durch eine nationale Grenze schlechter gestellt wird als ein Lebensraum ohne eine solche Grenze.

Prozess zur Zukunft Europas wieder aufnehmen – Kommunen einbinden

Der Prozess um die Konferenz zur Zukunft Europas muss wieder aufgenommen werden, nachdem der für den 9. Mai geplante Beginn der Konferenz nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie auf unbestimmte Zeit verschoben wurde. Der RGRE begrüßt die Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass man „ernsthaft über das sprechen müsse, was Europa jetzt nicht ausreichend konnte und was die Zukunft der Europäischen Union ausmachen wird“ sowie die Ankündigung, dass Vertragsänderungen und ein engeres Zusammenrücken nicht auszuschließen seien. Eine Vertretung kommunaler Interessen in der Konferenz muss dabei sichergestellt sein. Der RGRE wird sich in die Gestaltung der Konferenz engagiert einbringen.

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Katastrophenfall ausbauen

Die Corona-Pandemie kann zur Chance für die Zukunft Europas werden. Der Rat der Gemeinden und Regionen Europas/Deutsche Sektion begrüßt, dass sich die deutsche EU-Ratspräsidentschaft der Bewältigung der Auswirkungen der Corona-Pandemie widmet. Ziel muss sein, gemeinsam eine nachhaltige und resiliente Gesellschaft zu gestalten sowie die Innovationsfähigkeit und Modernisierung von Europas Wirtschaft zu fördern. Über die erste kurzfristige Krisenreaktion hinaus muss die Voraussetzung für eine größere Krisenfestigkeit der Europäischen Union geschaffen werden. Die Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Katastrophenfall müssen in der EU ausgebaut werden, dies gilt insbesondere für Vereinfachungen beim grenzüberschreitenden Krankentransport oder für verbesserte Möglichkeiten zur grenzüberschreitenden Beschaffung und Nutzung von Schutzequipment.

Europäische Projekte vor Ort nicht in Frage stellen

Der „Mehrjährige Finanzrahmen“ sowie der Wiederaufbauplan sollten daher im Geiste der Solidarität gestaltet werden. Das sowohl temporär als auch in seiner Zielsetzung begrenzte Wiederaufbauprogramm „Next Generation EU“ ist ein Schritt in die richtige Richtung. Über die Berücksichtigung im Rahmen der REACT EU-Initiative hinaus muss den Bedürfnissen der lokalen Ebene in der Corona-Krise zudem durch weitere Liquiditätshilfen und Kreditprogramme aus den Aufbauprogrammen Rechnung getragen werden.

Die langfristige Förderung der Krisenfestigkeit der Europäischen Union sollte allerdings primär über eine nachhaltige sowie finanziell ausreichend ausgestattete Strukturpolitik erfolgen. Diese darf nicht durch das vorgeschlagene Aufbauprogramm „Next Generation EU“ in Frage gestellt werden. Die Zuweisungen für den Haushaltsbereich „Kohäsion und Werte“ im neusten Vorschlag fallen deutlich geringer aus, als noch der erste Vorschlag der EU-Kommission in 2018. Insbesondere im Kontext der aktuellen Krisensituation gilt es, den Zusammenhalt der europäischen Bürgerinnen und Bürger zu stärken und europäische Projekte vor Ort zu fördern. Die befürchteten Kürzungen im Bereich „Kohäsion und Werte“, insbesondere des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), des Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) und des Programms „Citizens, Equality, Rights and Values“, dem Nachfolgeprogramm von „Europa für Bürgerinnen und Bürger“, betrachten wir daher mit großer Sorge.

Europa steht für offene Grenzen, für Zusammenarbeit und Zusammenleben in zahlreichen Projekten und für Freund- und Partnerschaften, die weit über die Grenzen der jeweiligen Länder hinausgehen. Wir Kommunen sind der festen Überzeugung, dass wir nur durch eine koordinierte und solidarische europäische Antwort die Krise und ihre Auswirkungen meistern können. Der Rat der Gemeinden und Regionen Europas/Deutsche Sektion wird sich aktiv an der Gestaltung der Zukunft der Europäischen Union beteiligen, um Europa gemeinsam wieder stark zu machen.

Die Erklärung der Deutschen Sektion des RGRE zur Corona-Pandemie vom 21.07.2020 findet sich unter www.rgre.de.