Land und Spitzenverbände beginnen Diskussion um gesetzliche Änderungen im Kommunalrecht
Das Hessische Ministerium des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz (HMdI) hat dem Hessischen Städte- und Gemeindebund eine Tabelle mit Vorschlägen für etwaige kommunal- und kommunalwahlrechtlichen Gesetzesänderungen, die sich als Prüf- oder Änderungsaufträge aus dem Koalitionsvertrag ergeben oder die von den zuständigen Fachabteilungen angedacht sind, mit der Bitte um Stellungnahme übermittelt.
Eine Vielzahl der Regelungen entsprechen langjährigen Forderungen des Hessischen Städte- und Gemeindebundes. Mit dem Ministerium und den anderen kommunalen Spitzenverbänden fand am 20.02.2024 bereits eine erste gemeinsame Besprechung statt. Die Regelungen wurden zwischenzeitlich auch im Ausschuss für Recht, Verfassung und Personal bzw. im Finanzausschuss des Hessischen Städte- und Gemeindebundes beraten.
Im Wesentlichen werden vom Ministerium folgende Änderungsvorschläge vorgetragen:
- Prüfung der Schaffung einer Sperrklausel
- Prüfung der Umstellung des Auszählverfahrens von Hare/Niemeyer auf d`Hondt
- Streichung der Angaben von Privatadressen bei den öffentlichen Bekanntmachungen von kommunalen Wahlvorschlägen
- Prüfung einer Begrenzung bzw. besseren Transparenz von Spenden bei Wahlen, insbesondere aus dem Ausland
- Stärkung der Beteiligungsrechte, insbesondere von Jugendlichen sowie Seniorinnen und Senioren
- Ausnahmen für Infrastrukturprojekte bei der Regelung über Bürgerbegehren; Prüfung einer Transparenzregelung bei Bürgerbegehren
- Prüfung der Abschaffung der Ein-Personen-Fraktion
- Prüfung einer Reduzierung der Anzahl der Gemeindevertreter bzw. einer Absenkung des Mehrheitserfordernisses
- Änderungen an der Versorgung und Besoldung der kommunalen Wahlbeamten
- Einführung digitaler Sitzungsformate und weiterer digitaler Elemente
- Prüfung der Regelungen über Ausländerbeiräte/Integrations-Kommission
- Prüfung der Einführung eines Zustimmungsquorums bei den Wahlen zu den kommunalen Verwaltungsspitzen der Landkreise
- Erweiterung des gesetzlichen Rahmens für die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen in festzulegenden ausgewählten Sektoren
- Neuregelungen über die Beschlussfassung von Bewerberangaben auf Stimmzetteln
- Auslegung von Musterstimmzetteln bei Bürgerbegehren anstelle von Verteilung
- Aufnahme einer Regelung zur ausdrücklichen Ermöglichung der Aufnahme des Doktortitels eines Bewerbers auf dem Stimmzettel
- Generelle Ermöglichung der Briefwahl bei Ausländerbeiratswahlen
- Gewährung des kommunalen Wahl- und Stimmrechts für wohnungslose Menschen
- Streichung der sog. Hinweisbekanntmachung
- Aufnahme einer Regelung, wonach Verdienst aus Nebentätigkeiten bei der Berechnung des Verdienstausfalles nicht berücksichtigt wird
- Zulässigkeit von Gemeindebediensteten als Schriftführer in Wahlvorbereitungsausschüssen, Vertretung von Mitgliedern im Fall der Verhinderung
- Live-Streaming durch die Kommunen
- Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Einsichtnahme in Niederschriften
- Streichung der Pflicht zur Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzepts für die mittelfristige Finanzplanung
- Streichung der Pflicht zur öffentlichen Auslegung des Haushaltsplans im Anschluss an die öffentliche Bekanntmachung der Haushaltssatzung und Ersetzung durch Veröffentlichung im Internet
- Klarstellung des Verhältnisses der Vorschriften der Hessischen Gemeindeordnung zu den Regelungen des Eigenbetriebsgesetzes
- Aufnahme eines Absatzes 5 in § 154 HGO mit einer Ermächtigung zur Regelung der Kommunal DATA Hessen in einer Rechtsverordnung
Die Einzelheiten ergeben sich aus der Tabelle des Ministeriums, die im Mitgliederbereich im Internet unter Fachinformationen Kommunalverfassungsrecht eingestellt ist. Die Geschäftsstelle hat zu den einzelnen Vorschlägen in der rechten Spalte der Tabelle Anmerkungen eingetragen.
Darüberhinausgehend werden weitere Forderungen des Hessischen Städte- und Gemeindebundes im Bereich der HGO und des KWG erhoben. Diese Forderungen wurden zum großen Teil bereits in den Fachausschüssen behandelt.
Hierbei handelt es sich um folgende Forderungen:
- Klarstellung des schriftlichen und elektronischen Anfragerechts gemäß § 50 Abs. 2 HGO; Unzulässigkeit von schriftlichen oder elektronischen Anfragen, die sich auf den dienstlichen und höchstpersönlichen Bereich von Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter beziehen.
- Erhöhung der Voraussetzungen für die Bildung eines Akteneinsichtsausschusses; Ein Akteneinsichtsausschuss sollte erst dann eingerichtet werden, wenn es eine Mehrheit von einem Viertel der gesetzlichen Zahl der Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertretern wünscht.
- Unabhängige und weisungsfreie Erstellung der Niederschrift durch die Schriftführerin oder den Schriftführer; Kein Anspruch auf Protokollierung von persönlichen Redebeiträgen; Ergänzung der Einsprüche in der ursprünglichen Niederschrift.
- Verbesserung der Rechtsstellung des Bürgermeisters bzw. der Bürgermeisterin: Zuständigkeit bis zu einer bestimmten Summe – orientiert am Ergebnishaushalt.
- Wie im Handelsrecht schon seit Jahren geregelt ist auch im kommunalen Haushaltsrecht auf die Unterscheidung von ordentlichem und außerordentlichem Ergebnis zu verzichten und so insbesondere dauerhaft den Rückgriff auf angesammelte außerordentliche Rücklagen zu eröffnen (§ 92 Abs. 5 Nr. 1 und Abs. 6 Nr. 1 HGO).
- Die Möglichkeit des Rückgriffs auf angesammelte Zahlungsmittelbestände zum Ausgleich von Finanzhaushalt und –rechnung ist gesetzlich festzuschreiben.
- Die Wartefrist für die Bekanntmachung bei Haushaltssatzungen ohne genehmigungsbedürftige Teile ist zu streichen (§ 97 Abs. 4 Satz 3 HGO).
- Die Aufstellungsfrist für den Jahresabschluss muss moderat von vier auf sechs Monate zu verlängert werden (§ 112 Abs. 5 HGO, das gilt für Eigenbetriebe auch).
- Es müssen Ausnahmen für die Zurückstellung der Haushaltsgenehmigung nach § 112 Abs. 6 HGO ermöglicht werden. Gemeinden müssen im Zweifel einen genehmigungsfähigen Haushalt bekommen können.
- Wirtschaftliche Betätigungen für die Schaffung von Wohnraum und im Bereich Energie sind zu erleichtern (§ 121 HGO).
- Die Regelungen zur Markterkundung und Privatisierungsprüfung sind im Sinne der Vereinfachung zu streichen (§ 121 Abs. 6 und 7 HGO).
- Die kommunalrechtliche Vorgabe zur Prüfung der Abschlüsse kommunaler Gesellschaften nach den für Große Kapitalgesellschaften geltenden Grundsätzen ist zu streichen (§ 122 Abs. 1 Nr. 4 HGO).
Insgesamt würden die Städte und Gemeinden durch diese Vorschläge von einer Reihe überflüssiger Vorgaben entlastet.
Mit den anderen kommunalen Spitzenverbänden finden derzeit Gespräche statt, um gemeinsame Positionen vertreten zu können.