Zweite Auslegungshinweise zum Gesetz zur Sicherung der kommunalen Entscheidungsfähigkeit und zur Verschiebung der Bürgermeisterwahlen vom 24.03.2020 (GVBl. 201)
Ergänzend zu unseren Auslegungshinweisen vom 31.03.2020 (eingestellt auf unserer Homepage im Mitgliederbereich und dort unter „Corona-Virus“) geben wir in Abstimmung mit dem Hessischen Ministerium des Inneren und für Sport weitere Hinweise zu den neuen Regelungen, die sich insbesondere aus der Beratungspraxis ergeben haben.
1. Einladung zu Sitzungen des Finanzausschusses gem. § 51a Abs. 1 HGO
Sofern der Finanzausschuss anstelle der Gemeindevertretung in dringenden Angelegenheiten entscheiden soll, gelten die Regelungen zur Einladung sowie zur öffentlichen Bekanntmachung der Sitzung wie bei regulären Ausschusssitzungen. In § 62 Abs. 5 HGO wird insoweit auf die Regelung des § 58 Abs. 1 und Abs. 2 HGO verwiesen. Darüber hinaus können sich aus den Geschäftsordnungen der jeweiligen Kommune ergänzend Ladungsfristen ergeben, die zu beachten sind.
Wie wir bereits in unseren Auslegungshinweisen vom 31.03.2020 (unter Nr. 3.) ausgeführt haben, sollte vor der Sitzung mit dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung/Stadtverordnetenvorsteher über den Zeitpunkt der Sitzung sowie über die Tagesordnungspunkte eine Verständigung erfolgen.
Aus der gesetzlichen Regelung selbst ergibt sich nicht, ob eine Einladung und eine öffentliche Bekanntmachung bei der Durchführung eines Umlaufverfahrens erforderlich ist. Ebenfalls ergibt sich dies nicht aus der Gesetzesbegründung. Die Formulierung, dass der Finanzausschuss in nichtöffentlicher „Sitzung“ tagen kann und die Entscheidung im Umlaufverfahren getroffen werden kann, spricht dafür, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass auch die Durchführung eines Umlaufverfahrens eine förmliche Sitzung darstellt, so dass eine Einladung und öffentliche Bekanntmachung erforderlich ist. Für eine solche Ansicht spricht auch, dass die Mitglieder des Finanzausschusses in Kenntnis darüber sind, dass an einem bestimmten Tag die Sitzung durch Umlaufverfahren stattfindet und die Öffentlichkeit über die bestehenden Tagesordnungspunkte informiert wird. Vor dem Hintergrund der Transparenz von Entscheidungen sehen wir es als sinnvoll an auch zu Sitzungen, die im Umlaufverfahren durchgeführt werden, einzuladen und dies öffentlich bekannt zu machen. Wir verweisen insoweit auf das als Anlage beigefügte Muster einer Einladung. Ob ein Beschluss im Umlaufverfahren erfolgen soll, entscheidet in diesem Fall der Vorsitzende des Ausschusses, der auch einlädt. Das Hessische Innenministerium empfiehlt darüber hinaus vor der Beschlussfassung im Umlaufverfahren eine separate Abstimmung darüber, ob eine Entscheidung im Umlaufverfahren erfolgen soll oder nicht (Mehrheitsentscheidung). Wenn man davon ausgeht, dass eine reguläre Sitzung des Finanzausschusses auch bei Durchführung eines Umlaufverfahrens vorliegt, ist auch von dem Erfordernis der Fertigung einer Niederschrift auszugehen.
Wie bereits in unseren Auslegungshinweisen vom 31.03.2020 (unter Nr. 6.) dargelegt, sollten die Ergebnisse der in nichtöffentlicher Sitzung gefassten Beschlüsse in geeigneter Form den Gemeindevertretern und der Öffentlichkeit vom Gemeindevorstand bekanntgegeben werden (Arg. § 62 Abs. 5 HGO i. V. m. § 52 Abs. 2 HGO). Das Hessische Innenministerium empfiehlt hierzu die Bekanntgabe in dem jeweiligen Bekanntmachungsorgan der Gemeinde.
2. Öffentlichkeit / Nichtöffentlichkeit der Sitzungen des Finanzausschusses gem. § 51 a Abs. 1 HGO
Für die Sitzungen des Finanzausschusses, wenn dieser gem. § 51a Abs. 1 HGO tagt, gilt die Regelung des § 52 HGO. Soweit hat das Gremium selbst, d.h. der Finanzausschuss, darüber zu beschließen, ob die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird.
Wenn ein solches Vorgehen in einer Gemeinde erwogen wird, dann sollte die entsprechende Verständigung der Ausschussmitglieder möglichst schon im Vorfeld der Sitzung intern erfolgen. Es sollte vermieden werden, dass der Ausschussvorsitzende entsprechend dem Regelfall zu einer öffentlichen Sitzung einlädt, bei der dann nach der Feststellung der Beschlussfähigkeit erst unter „zweitens“ der generelle Ausschluss der Öffentlichkeit für die Sitzung beschlossen wird (§§ 62 Abs. 5 HGO i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 2 GO). Im Erfolgsfall ist eine Einladung des Ausschussvorsitzenden zu einer nichtöffentlichen Sitzung rechtlich verantwortbar (vgl. zu dieser Problematik Schneider u.a. § 52 Erl. 3). Der Ausschuss-Vorsitzende allein kann die Nichtöffentlichkeit nicht herbeiführen, denn § 51a Abs. 1 Satz 2 HGO spricht ausdrücklich den „Finanzausschuss“ (als Kollegium) an.
Kommt eine solche Verständigung der Ausschussmitglieder im Vorfeld nicht zustande, ist es daher nicht zulässig, generell in der Einladung bereits zu einer nichtöffentlichen Sitzung einzuladen, sondern in der Sitzung selbst muss unter Abwägung der Gegebenheiten vor Ort entschieden werden, ob es gerechtfertigt ist, die Öffentlichkeit auszuschließen.
3. Durchführung eines Umlaufverfahrens gem. § 51 a Abs. 1 HGO
Soweit in § 51 a Abs. 1 HGO geregelt ist, dass die Entscheidung auch im Umlaufverfahren getroffen werden kann, sollte berücksichtigt werden, dass das Umlaufverfahren nicht als regelmäßig anzuwendendes Verfahren im Gesetz vorgesehen ist. Insofern sollte jeweils überlegt werden, ob es nicht angemessen ist, regulär in Form einer öffentlichen Sitzung zu tagen. Dies wird gerade vor dem Hintergrund der Lockerungen des Kontaktverbots und der Möglichkeit, Hygienevorkehrungen zu treffen, angebracht sein. Entscheidend für die Frage, ob ein Umlaufverfahren durchzuführen ist, wird auch sein, ob und wie viele Mandatsträger des Ausschusses einer Risikogruppe angehören. So wird es eher gerechtfertigt sein, ein Umlaufverfahren durchzuführen, wenn der Ausschuss weitestgehend aus Mitgliedern besteht, die über 60 Jahre alt sind oder vorerkrankt sind. Auch wird ein Umlaufverfahren eher in Betracht kommen, wenn sich mehrere Mandatsträger in Quarantäne befinden und damit nicht an einer regulären Sitzung teilnehmen können.
4. Mitteilungen des Gemeindevorstands/Magistrats sowie Beantwortung von Anfragen
Soweit in § 50 Abs. 3 HGO die Mitteilungspflicht des Gemeindevorstands gegenüber der Gemeindevertretung und in § 50 Abs. 2 HGO das Recht geregelt ist, schriftliche Anfragen an den Gemeindevorstand zu richten, ergibt sich aus den Vorschriften nicht, wie und in welcher Form die Beantwortung zu erfolgen hat. Insofern sehen wir keine Probleme darin, wenn die Mitteilungen des Gemeindevorstands bzw. die Beantwortung von Anfragen in Sitzungen des Finanzausschusses, der gem. § 51a HGO tagt, erfolgen. In diesem Fall wäre es allerdings erforderlich, die Mitteilung des Gemeindevorstands bzw. die Beantwortung der Anfrage erneut in einer Sitzung der Gemeindevertretung zu wiederholen.
5. Gewährung von Aufwandsentschädigung bei Sitzungen im Umlaufverfahren (Sitzungsgeld)
Sofern zu einer Sitzung des Finanzausschusses gem. § 51a Abs. 1 HGO im Umlaufverfahren förmlich eingeladen und die Einladung auch öffentlich bekanntgemacht wird, gehen wir davon aus, dass eine „Sitzung“ im Sinne der kommunalen Entschädigungssatzung stattfindet. Auch in diesem Fall erfolgt eine Beratung und Beschlussfassung des jeweiligen Gremiums, so dass eine vergleichbare Regelung zu verzeichnen ist. Von einem Entschädigungsanspruch wäre in diesem Fall auszugehen.
Anders ist die Rechtslage allerdings zu beurteilen, wenn ein Umlaufverfahren ohne förmliche Einladung erfolgt. Insoweit knüpfen die Entschädigungssatzungen an den Begriff der „Sitzung“ an und enthält gerade keine Regelung zur Entschädigung, wenn eine Beschlussfassung in einem bloßen Umlaufverfahren ohne Einladung erfolgt.