BGH zur Rücksichtnahme auf Nachbarn bei wild abfließendem Wasser
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 20.04.2023 entschieden, dass eine übliche landwirtschaftliche Nutzung, die den Wasserabfluss eines Feldes ändert, keinen unzulässigen Eingriff nach dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) darstellt. Gleichwohl müssten Landwirte auf ihre Nachbarn Rücksicht nehmen, soweit dies im Rahmen des Anbaus möglich sei.
Ein Landwirt wurde von seinen Nachbarn auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Hintergrund war Starkregen im Jahr 2014, der zwei Mal zum Wassereintritt im Keller ihres Hauses geführt hatte. Nach Ansicht der Eigentümer war eine Umstellung auf Kartoffelanbau auf einem höher gelegenen Feld die Ursache, da im Gegensatz zum früheren Getreideanbau beim Setzen der Kartoffeln Ackerfurchen angelegt worden seien. Weil diese in Richtung des Gefälles ausgerichtet worden seien, sei wesentlich mehr Wasser quer über einen Wirtschaftsweg in eine Kuhle auf einem benachbarten städtischen Grundstück geleitet worden. Der sich dort bildende Teich habe dann das Wasser durch die Kellermauern gedrückt. Das LG Mönchengladbach wies die Klage ab, was vom OLG Düsseldorf bestätigt wurde: Möglicherweise habe der Kartoffelanbau zu einer Verstärkung des Wasserabflusses geführt. Eine Haftung nach § 37 Abs. 1 S. 2 WHG i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB komme nicht in Betracht – zum Schutz des Anbaus gerade in hügeligen Gegenden müssten Bauern vor Haftung geschützt sein. Der BGH verwies den Fall an das OLG zurück.
Der BGH stellte sich dabei im Grundsatz hinter das OLG. Zwar bestehe nach § 37 Abs. 1 S. 2 WHG eine Verpflichtung, für tiefer liegende Grundstücke nachteilige Änderungen des Wasserabflusses zu unterlassen, aber die Norm müsse jedenfalls für solche Veränderungen einschränkend ausgelegt werden, die aus üblicher landwirtschaftlicher Nutzung resultierten. Sie hoben allerdings hervor, dass trotzdem die Verpflichtung besteht, auf Nachbarn Rücksicht zu nehmen. Dies führe zwar nicht dazu, dass auf bestimmte Pflanzen oder Anbauarten verzichtet werden müsse. Sei aber beispielsweise die Ausrichtung der Ackerfurchen ohne Bedeutung für die Kultivierung, könne man über eine Haftung nachdenken.
Anmerkung
Mit dem Urteil entschied der BGH einen Streit, der nach Einführung des WHG im Jahr 2010 entstanden war, im Sinne der schon früher bestehenden Rechtsprechung. Danach stellt eine übliche landwirtschaftliche Nutzung, die Einfluss auf den Wasserabfluss eines Feldes hat, grundsätzlich keinen unzulässigen Eingriff nach dem WHG dar. Jedoch müssen die Landwirte Rücksicht auf ihre Nachbarn nehmen und unter Umständen kann dennoch eine Haftung möglich sein. Es ist insoweit eine Einzelfallprüfung vorzunehmen.
Wir bitten um Kenntnisnahme.