Zivilrecht: Verschattung eines Grundstücks durch Bäume des Nachbarn
Der BGH hat sich mit der Frage befasst, ob ein Grundstückseigentümer von seinem Nachbarn die Beseitigung von Bäumen wegen der von ihnen verursachten Verschattung verlangen kann (BGH Urt. v. 10.07.2015, Az. V ZR 229/14; Vorinstanzen: LG Bielefeld, Urt. v. 26.11.2013 - 1 O 307/12 und OLG Hamm, Urt. v. 01.09.2014 – I-5 U 229/13).
Die Kläger sind seit 1990 Bewohner und seit 1994 Eigentümer eines in Nordrhein-Westfalen belegenen Grundstücks, das mit einem nach Süden ausgerichteten Reihenhausbungalow bebaut ist. Ihr 10 mal 10 m großer Garten grenzt an eine öffentliche Grünanlage der beklagten Stadt. Dort stehen in einem Abstand von 9 bzw. 10,30 m von der Grenze zwei ca. 25 m hohe, gesunde Eschen. Die Kläger verlangen die Beseitigung dieser Bäume mit der Begründung, ihr Garten werde vollständig verschattet. Er eigne sich infolgedessen weder zur Erholung noch zur Hege und Pflege der von ihnen angelegten anspruchsvollen Bonsai-Kulturen. Das Wachstum der Bäume sei für sie bei Erwerb des Hauses nicht vorhersehbar gewesen. Derartig hoch wachsende Laubbäume seien mit einer konzeptionell nach Süden ausgerichteten Bungalow-Siedlung unvereinbar. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen.
Der BGH hat dieses Urteil bestätigt.
Nach Auffassung des BGH setzt ein Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB
voraus, dass das Eigentum der Kläger beeinträchtigt wird. Daran fehle es. Eine Benutzung des Grundstücks in dessen räumlichen Grenzen – hier durch die auf dem Grundstück der Beklagten wachsenden Bäume – sei im Zweifel von dem Eigentumsrecht des Nachbarn gedeckt. Zwar könnten nach dem in § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB enthaltenen Maßstab bestimmte Einwirkungen auf das benachbarte Grundstück durch den Nachbarn abgewehrt werden. Dazu zähle aber nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, die bereits das Reichsgericht begründet hat, der Entzug von Luft und Licht als sogenannte "negative" Einwirkung nicht. Dies hat der BGH im Hinblick auf Anpflanzungen erneut bestätigt.
Allerdings werde das Eigentum des angrenzenden Nachbarn durch den Schattenwurf von Pflanzen und Bäumen im Sinne von § 1004 BGB beeinträchtigt, wenn die in den Landesnachbargesetzen enthaltenen Abstandsvorschriften nicht eingehalten werden. Dies sei hier nicht der Fall, weil der nach dem maßgeblichen nordrhein-westfälischen Landesrecht für stark wachsende Bäume vorgeschriebene Abstand von 4 m (§ 41 Abs. 1 Nr. 1a NachbG NRW) gewahrt sei. Ein aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis hergeleiteter Beseitigungsanspruch komme mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen nur in Ausnahmefällen in Betracht. Er setze voraus, dass die Kläger wegen der Höhe der Bäume ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Nachteilen ausgesetzt würden. Daran fehle es, selbst wenn insoweit – was der BGH offengelassen hat – nicht auf die Verschattung des gesamten Grundstücks, sondern nur auf die der Gartenfläche abzustellen wäre. Denn das Oberlandesgericht sei nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bepflanzung den Klägern noch zuzumuten sei, weil es an einer ganzjährigen vollständigen Verschattung der Gartenfläche fehle. Zudem sei bei der erforderlichen Abwägung auch zu berücksichtigen, dass der vorgeschriebene Abstand um mehr als das Doppelte überschritten werde. Umso mehr trete in den Vordergrund, dass öffentliche Grünanlagen zum Zwecke der Luftverbesserung, zur Schaffung von Naherholungsräumen und als Rückzugsort für Tiere gerade auch große Bäume enthalten sollen, für deren Anpflanzung auf vielen privaten Grundstücken kein Raum sei. Die damit einhergehende Verschattung sei Ausdruck der Situationsgebundenheit des klägerischen Grundstücks, das am Rande einer öffentlichen Grünanlage belegen ist.
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 116/2015 v. 10.07.2015