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Verkaufsoffene Sonntage in hessischen Kommunen: hier: E-Mail von ver.di und der Allianz für den freien Sonntag vom 04.04.2016

Signet Verkaufsoffener Sonntag
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Mit E-Mail vom 04.04.2016 informierte die Allianz für den freien Sonntag – die sich unter anderem aus ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, der Katholischen Arbeitnehmerbewegung, dem Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN sowie der Katholischen Betriebsseelsorge zusammensetzt – die Bürgermeister, Landräte und Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände über die rechtlichen Hintergründe gemäß einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.11.2015 (Az.: 8 CN 2.14) und deren Folgen für die Freigabe von verkaufsoffenen Sonntagen. Zu diesem Schreiben möchten wir wie folgt Stellung nehmen:

Entgegen den Ausführungen in diesem Schreiben wurden die Anforderungen an die Zulassung von Sonntagsöffnungen aufgrund von Messen, Märkten und ähnlichen Veranstaltungen gemäß § 6 Abs. 1 Hessisches Ladenöffnungsgesetz (HLöG) nicht deutlich angehoben, sondern lediglich präzisiert und nochmals deutlich formuliert. Insofern sind die unter 1, 2, 3 sowie 5 gemachten Thesen nicht neu, sondern fanden sich bereits auch in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes als auch des Verwaltungsgerichtshofes in Kassel und der Rechtsprechung hessischer Verwaltungsgerichte wieder. Nach der bisherigen Rechtsprechung bestand für eine Sonntagsöffnung das Erfordernis, dass eine gewichtige Veranstaltung vorliegen muss, die aus sich heraus einen erheblichen Besucherstrom auslösen muss. Die Veranstaltung selbst muss die „Hauptsache“ sein und das Offenhalten von Verkaufsstellen an einem Sonntag kann lediglich ein „Nebeneffekt“ sein (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 30.04.2015, Az.: 8 B 851/15 sowie VG Darmstadt, Urt. v. 13.06.2013, Az.: 3 K 472/13.DA).

Soweit darauf hingewiesen wird, dass nach den derzeitigen Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts eine Eingrenzung auf bestimmte Handelszweige bzw. eine räumliche und zeitliche Begrenzung erfolgen kann, ist auch dies bisher schon in der Rechtsprechung anerkannt worden. Das BVerwG präzisiert lediglich die Vorgaben dahingehend, dass die Veranstaltung an sich prägend sein muss und es im Einzelfall Einschränkungen geben muss, um den Sonntagsschutz zu gewährleisten.

Dies kann in der Regel nur angenommen werden, wenn die Ladenöffnung auf das Umfeld des Marktes begrenzt wird, weil nur insoweit ihr Bezug zum Marktgeschehen erkennbar ist. Des weiteren kann eine Beschränkung auf bestimmte Handelszweige erfolgen, die auch einen thematischen Bezug zum Markt herstellen. Darüber hinaus bedarf es einer entsprechenden Prognose des Besucherstroms den der Markt für sich genommen auslöst und die Zahl der Besucher übersteigt, die allein wegen der Öffnung der Verkaufsstellen kämen. Des weiteren kann eine zeitliche bzw. räumliche Beschränkung gemäß § 6 Abs. 2 HLöG erfolgen.

Nach den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts wird der Hauptcharakter des Marktes dadurch gestützt, dass eine Ladenöffnung auf das Umfeld des Marktes begrenzt wird, dass eine entsprechende Prognose des Besucherstroms darauf schließen lässt, dass die Besucher die Veranstaltung selbst besuchen, dass möglicherweise eine Beschränkung auf bestimmte Handelszweige angebracht sein kann sowie dass eine zeitliche als auch räumliche Beschränkung erfolgen kann. Dieses ist im Einzelfall zu prüfen. Eine Beschränkung sowohl der räumlichen als auch zeitlichen Ausdehnung sowie des Warenangebotes wird vom Bundesverwaltungsgericht nicht zwingend gefordert. Insofern kommt es auf die Einzelfallsituation an.

Soweit unter Ziff. 4 die These aufgestellt wird, dass die Verkaufsfläche der Geschäfte, die geöffnet haben können, nicht größer als die Fläche des Marktes, der als Anlass für die Sonntagsöffnung dient, sein darf, findet sich diese Auslegung in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht. Eine derart pauschale Aussage lässt sich dieser Entscheidung nicht entnehmen. Das Bundesverwaltungsgericht lässt lediglich erkennen, dass es feststellt, dass der für den Markt vorgesehene räumliche Bereich ungleich kleiner ist, als die ihn umgebene freigegebene Verkaufsfläche im konkret zu entscheidenden Fall. Dass das Bundesverwaltungsgericht diesen Umstand jedoch zu einem absoluten Ausschlusskriterium erhebt, ist nicht ersichtlich und steht auch im Widerspruch zu den übrigen Ausführungen, wonach der räumliche Geltungsbereich der Ladenöffnung in Relation zur Ausstrahlung des Marktes gesetzt werden kann.

Nichtsdestotrotz sind die Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts aus dieser Entscheidung sowie des VGH Kassel (Beschluss vom 06.04.2016 (Az.: 8 B 751/16)) zuletzt zur Untersagung des verkaufsoffenen Sonntags im Zusammenhang mit der Frankfurter Musikmesse zu berücksichtigen. Für eine Freigabeentscheidung für einen verkaufsoffenen Sonntag im Sinne des § 6 Abs. 1 HLöG sollte folgendes berücksichtigt werden:

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts konkretisiert den aus Art. 140 GG i. V. m. 139 Weimarer Reichsverfassung (WRV) erwachsenen Schutzauftrag, mit dem Ergebnis, dass Sonn- und Feiertagsöffnungen restriktiv zu handhaben sind. Insofern bedarf es nicht nur einer Veranstaltung, die selbst einen beträchtlichen Besucherstrom auslöst, sondern es muss ein Bezug zum Marktgeschehen hergestellt werden. Dieser Bezug zum Marktgeschehen kann sowohl räumlich, als auch thematisch geschehen.

Die Herstellung des Marktbezuges kann „in der Regel nur dann angenommen werden, wenn die Ladenöffnung auf das Umfeld des Marktes begrenzt wird, weil nur insoweit ihr Bezug zum Marktgeschehen erkennbar bleibt. Je größer die Ausstrahlungswirkung des Marktes wegen seines Umfangs oder seiner besonderen Attraktivität ist, desto weiter reicht der räumliche Bereich, in dem die Verkaufsstellenöffnung noch in Verbindung zum Marktgeschehen gebracht wird“ (BVerwG, a. a. O., Rdnr. 25).

Die Ausführungen des BVerwG zum räumlichen Marktbezug sind nicht abschließend. Dies verdeutlicht der Wortlaut „in der Regel“. Denkbar ist demnach auch die anderweitige Herstellung eines räumlichen Bezugs. Wichtig ist jedoch, den räumlichen Geltungsbereich in der zugrunde liegenden Verfügung hinreichend zu bestimmen.

Der Marktbezug kann auch thematisch hergestellt werden. Dieser Bezug ist dadurch denkbar, dass „bei auf bestimmte Handelszweige beschränkten Märkten die Ladenöffnung nur für dieselben Handelszweige zugelassen wird“.

Schließlich muss die werktägliche Prägung des verkaufsoffenen Tages im Hintergrund bleiben. Dies ist nach dem BVerwG nur dann der Fall, „wenn nach der anzustellenden Prognose der Besucherstrom, den der Markt für sich genommen auslöste, die Zahl der Besucher überstiege, die allein wegen einer Öffnung der Verkaufsstellen kämen. Zur Abschätzung der jeweiligen Besucherströme kann beispielsweise auf Befragung zurückgegriffen werden. Findet ein Markt erstmal statt, wird die Prognose notwendig pauschaler ausfallen müssen. Insoweit könnten u. a. Erfahrungswerte der Ladeninhaber zu den an Werktagen üblichen Besucherzahlen Anhaltspunkte geben.“

Wichtig ist in diesem Zusammenhang eine schlüssige und vertretbare Prognoseentscheidung der antragstellenden Veranstalter bzw. der Kommune betreffend der Attraktivität der Veranstaltung.

Die einer Öffnung zugrunde liegenden Verfügungen müssen insbesondere hinsichtlich der räumlichen Geltung hinreichend bestimmt sein. Aus der Entscheidung lassen sich einige Kriterien hierzu ableiten. Zur Schaffung von Rechtssicherheit empfiehlt sich die Bezugnahme auf eine Karte bzw. grafische Darstellung, da der räumliche Geltungsbereich anderenfalls im Wege der Auslegung zu bestimmen ist.

Wir bitten um Berücksichtigung. Bei Fragen im Zusammenhang mit der Freigabe für einen verkaufsoffenen Sonntag steht die Geschäftsstelle für Rückfragen gerne zur Verfügung.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.11.2015 wird in einer der nächsten Ausgaben der HSGZ veröffentlicht werden.