Besinnung auf das schwärzeste Kapitel der deutschen Geschichte
Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus in Höchst i. Odw.
Es war eine ganz besondere Veranstaltung. In diesem Jahr fand die zentrale Gedenkstunde für Hessen in einer ländlichen Kommune statt. Am 27. Januar 2017 wurde in Höchst im Odenwald den Opfern des Nationalsozialismus gedacht. Thematisiert wurden die Unterdrückungsmechanismen der NS-Diktatur am Beispiel des Odenwalds.
Die gemeinsame landesweite Gedenkveranstaltung von Land Hessen, Landeswohlfahrtsverband und den kommunalen Spitzenverbänden wurde in diesem Jahr vom Hessischen Städte- und Gemeindebund ausgerichtet.
Der 27. Januar erinnert an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz 1945, es ist zugleich ein Gedenktag für alle Opfer eines beispiellosen totalitären Regimes während der Zeit des Nationalsozialismus: Juden, Christen, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung, Homosexuelle, politisch Andersdenkende sowie Männer und Frauen des Widerstandes, Wissenschaftler, Künstler, Journalisten, Kriegsgefangene und Deserteure, Greise und Kinder an der Front, Zwangsarbeiter und an die Millionen Menschen, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft entrechtet, verfolgt, gequält und ermordet.
Bürgermeister Harald Semler, Präsident des Hessischen Städte- und Gemeindebundes, begrüßte 90 Gäste aus Politik, Gesellschaft und Religion im Bürgerhaus in Höchst. „Die Verbrechen der NS-Zeit sind nicht nur eine Frage der Erinnerung“, so mahnte SEMLER. „Sie verlangen von uns und allen künftigen Generationen, nicht erst aktiv zu werden, wenn sich die sprichwörtliche Schlinge schon um den Hals legt. Wir dürfen nicht abwarten, sondern müssen verhindern, dass die Katastrophe überhaupt die Chance bekommt, einzutreten.“
Für die Hessische Landesregierung sprach Ministerpräsident Volker BOUFFIER. „Der heutige Gedenktag mahnt uns zur Vorsicht. Unsere Demokratie ist nicht unangreifbar", sagte der Ministerpräsident. Heute würden sich wieder erschreckende Parallelen zu jener Zeit zeigten, so Bouffier, unter Hinweis auf das weltweite Erstarken von Populisten und Extremisten.
Die Gedenkrede wurde von dem Historiker Dirk Strohmenger gehalten, Preisträger 2016 des hessischen Wissenschaftspreises. Er sprach über die Genese und Entwicklung der nationalsozialistischen Bewegung im Odenwald. Der Nationalsozialismus ist ein häufig von den meisten Heimathistorikern umgangenes Thema. Für den Odenwaldkreis hat es 2016 der in Fischbachtal beheimatete Historiker und Gymnasiallehrer Dirk Strohmenger übernommen, zu diesem Thema seine Promotion vorzulegen.
Untersucht hat Strohmenger den damaligen Landkreis Erbach, wie der Odenwaldkreis bis zur Gebietsreform von 1972 noch hieß, und die heute zum Kreisgebiet zählenden Gemeinden aus den Nachbarkreisen.
Wie gingen die Machthaber mit Gegnern des Regimes und verfolgten Minderheiten vor Ort um? Der Befund von Strohmenger zeigt ein Bild, das nicht Schwarz/Weiß ausfällt. Es gab eine „Diktatur des Mitmachens“, aber es gab auch immer Handlungsspielräume vor Ort, Opfer zu schützen und sich gegen die Gleichschaltung zu wehren.
Mit der wissenschaftlichen Veröffentlichung wird sehr eindrucksvoll sieben Jahrzehnte nach Ende der Schreckensherrschaft Licht in das Dunkel der Vorgänge während der Nazidiktatur im ländlichen Raum gebracht.
Der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus ist von dem damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog 1996 ins Leben gerufen worden. Für Landtagspräsident Norbert KARTMANN, der die Gedenkstunde in Höchst mit seinem Schlusswort beendete, passte das Thema der „NS-Diktatur auf dem Land“ genau in die Intention, mit der er seinerzeit in Hessen die landesweiten Gedenkveranstaltungen angeregt hatte.