Nachrichten

„Das Drehen bürokratischer Schleifen muss ein Ende haben!“

Der Hessische Städte- und Gemeindebund fordert von der Landesregierung entschlossene Gesetzeskorrekturen, um dem Personalmangel in der Kinderbetreuung gegensteuern zu können

bureaucracy-2106924_1280
(Foto: Jana Schneider/Pixabay)

Kein Kita-Platz trotz Rechtsanspruch, gekürzte Öffnungszeiten für die, die einen Platz haben, und teilweise sogar ganz verschlossene Türen: Diese Probleme beschäftigen vielerorts Kinder und Eltern, Kita-Personal und Kommunen. Eine Hauptursache ist der Mangel an Fachkräften, dessen Beseitigung oft durch eine überbordende Bürokratie behindert wird. Der Hessische Städte- und Gemeindebund (HSGB) hat heute nachdrücklich an die Landesregierung appelliert, dem Mangel an Personal endlich mit entschlossenen Korrekturen der Landesgesetze gegenzusteuern.

Oft gleichen die bestehenden Regelungen in der kommunalen Praxis einem langwierigen Hindernislauf, wie Viernheims Bürgermeister Matthias Baaß, zugleich Vize-Präsident des HSGB, zu berichten weiß. Aktuell baut seine Stadt das Platzangebot in den Kitas deutlich aus. Zusammen mit den bestehenden Trägern der Kitas wurde passend dazu die Initiative „Fachkräfte für Viernheimer Kitas“ gestartet, um neues Personal zu gewinnen. Die Zielgruppe der Kampagne reicht von Jugendlichen in weiterführenden Schulen über Zusatz- und Hilfskräfte in Kitas bis hin zu erwachsenen Berufsrückkehrern oder Menschen mit Migrationsgeschichte. Mit mehr als 60 Personen ist die Stadt aktuell im direkten Kontakt, sieben davon konnten bereits eine Ausbildung beginnen, drei weitere sogar direkt eingestellt werden. Bei vielen weiteren Interessenten allerdings bemüht sich die Stadt, Abschlüsse anerkennen zu lassen oder für die notwendige Qualifizierung zu sorgen. Die Bürokratie wird dabei immer wieder zu einem scheinbar unüberwindbaren Hindernis.

Maria Lauxen-Ulbrich, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Viernheim und zugleich Leiterin des Projektes „Fachkräfte für Viernheimer Kitas“, schildert passend dazu das Beispiel einer Mutter, die in Syrien als Musiklehrerin ausgebildet wurde. Sie darf in Deutschland noch nicht einmal als pädagogische Zusatzkraft arbeiten, obwohl ihr die Leitung der Kindertagesstätte, in der sie probeweise eingesetzt wurde, eine hervorragende Arbeit attestieren konnte. „Seit 2018 kämpft sie darum, dass ihre ausländischen Abschlüsse in Deutschland anerkannt werden“, berichtet Lauxen-Ulbrich. „Sie wird von einer Behörde zur nächsten geschickt, jedes Mal verbunden mit entsprechenden Auflagen, die zu erfüllen sind. Trotz absolvierter Qualifizierungsmaßnahmen und eines B2-Deutsch-Zertifikats und mit Unterstützung der Stadt ist es bis heute nicht gelungen, dass sie langfristig als pädagogische Zusatzkraft oder mit entsprechender Fortbildung als so genannte Fachkraft zur Mitarbeit in der Kita beschäftigt werden darf.“ Selbst eine positive Entscheidung auf Landesebene über eine „Sonderregelung pädagogisches Kompetenzprofil“ endete in einer Sackgasse: Der bürokratische Hindernislauf geht nun auf Kreisebene weiter. Dort muss als Nächstes eine Einzelfallentscheidung mit Anstellungsmöglichkeit getroffen werden, die dann allerdings nur für diese Kita gilt. Sollte sie zukünftig bei einer anderen Kita des gleichen Trägers beschäftigt werden, müsste eine erneute Antragstellung beim übergeordneten Jugendamt erfolgen.

Bürgermeister Baaß appelliert für einen Abbau der bürokratischen Hürden und das Vertrauen in die Kitas vor Ort: „Sehr viel mehr Menschen würden sehr viel schneller den Weg in die hessischen Tagesstätten finden, wenn zahllose Hürden aus dem Weg geräumt würden und man wieder Vertrauen in die handelnden Personen vor Ort hätte. Kein Träger und keine Kita-Leitung stellt ungeeignetes Personal ein. Dafür braucht es keine Dreifachprüfung oberer Behörden! Das Drehen bürokratischer Schleifen muss aus unserer Sicht ein Ende haben!“

Rund 70 Kilometer weiter nördlich von Viernheim kämpft die zum Rhein-Main-Gebiet zählende Gemeinde Eppertshausen mit ähnlichen Problemen. Vor allem das Thema Kindertagespflege und die damit verbundenen Hürden sorgen für Diskussionsstoff. Carsten Helfmann, Bürgermeister der Gemeinde, zugleich Erster Vizepräsident des HSGB, berichtet: „Wir haben vor Ort eine gelernte Erzieherin, die während ihrer Elternzeit gerne als Tagespflegeperson arbeiten wollte. Die zuständige Behörde hat den Antrag abgelehnt, weil die Erzieherin trotz ihrer fünfjährigen Ausbildung nicht die geforderte 160-stündige Ausbildung für die Tätigkeit als Tagespflegeperson vorweisen konnte.“

Helfmann verdeutlichte die bürokratischen Hürden noch an einem weiteren Beispiel: „Als Gemeinde stellen wir zwei Tagespflegepersonen eine Räumlichkeit zur Verfügung. Um den möglichen Auswirkungen eines Krankheitsfalls einer der beiden vorbeugen zu können, hatten wir die Idee, dass in solchen Fällen eine langjährige Kitaleiterin einspringen könnte, die seit Kurzem im Rathaus arbeitet. Es war auch geplant, dass sie die Kinder vorab kennenlernt.“ Helfmann weiter: „Der Antrag wurde von der zuständigen Behörde nicht genehmigt, weil die ehemalige Leiterin einer Kita mit sechs Gruppen, 125 Kindern und 27 Beschäftigten sowie Hochschulabschluss keine Ausbildung zur Tagespflegeperson vorweisen konnte.“

Forderungen des Hessische Städte- und Gemeindebundes

  • Der Zugang zu den Kita-Berufen muss erleichtert werden, die Personalstandards flexibler gestaltet werden.
  • Die Anerkennung von Quereinsteigern kommt gut ohne die Prüfung der Jugendämter aus, ob die Kraft zum Träger passt, denn das hat der Träger schon geprüft.
  • Die Träger sollten auch (wenn es passt) bis zu 50 Prozent Quereinsteiger (Fachkräfte zur Mitarbeit nach Paragraf 25b Abs 2 Nr 6 HKJGB) beim Mindestpersonalbedarf anrechnen dürfen.
  • Die Vorgaben für notwendige Aus- und Fortbildungen müssen flexibler werden.

„Insgesamt hat der HSGB dem Land ein umfangreiches Bündel von Flexibilisierungen vorgeschlagen“, stellt HSGB-Präsident Markus Röder, Bürgermeister der Gemeinde Hofbieber, klar und ergänzt: „Wir erwarten, dass das Land diese Linderungsmöglichkeiten nutzt.“

Rechtlicher Hintergrund

Wer eine Kita betreibt, braucht eine Betriebserlaubnis. Die erteilt das Sozialministerium nach Abstimmung mit dem örtlichen Jugendamt. Für die meisten Städte und Gemeinden nimmt der Landkreis die Aufgaben des Jugendamts wahr.

Die Betriebserlaubnis setzt insbesondere voraus, dass genügend Fachpersonal da ist. Anders als im Schulbereich kommt dafür eine Vielzahl von Berufen in Betracht. Auch Quereinstiege sind möglich, allerdings ist die Anerkennung ein Hürdenlauf. So müssen beispielsweise ausländische Abschlüsse anerkannt werden (soweit, so gut) und wenn das passiert ist, muss das örtliche Jugendamt noch prüfen, ob die anerkannte Person zum Konzept der Kita passt.