Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus im Ständehaus in Kassel
Die landesweite Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus wurde heute in Kassel im Ständehaus begangen. Sie wurde vom Landeswohlfahrtsverband (LWV) Hessen ausgerichtet. Im Mittelpunkt stand das Gedenken an die Opfer der NS-Euthanasieverbrechen in hessischen Landesheilanstalten.
In ihrer Begrüßung ging LWV-Landesdirektorin Susanne Selbert auf die Bedeutung von Gedenktagen und die Notwendigkeit von Gedenkstätten – wie die in Hadamar – ein. „In Hadamar ist uns besonders wichtig“, so betonte Susanne Selbert, „dass die Erinnerung an das Schicksal der einzelnen Menschen wachgehalten wird. So führen wir ein Gedenkbuch zur Erinnerung an die fast 15.000 ermordeten Menschen in der Tötungsanstalt Hadamar.“
Einzelschicksale standen im Zentrum von Lesung und Rede. So wie das von Rosa Schillings. Von ihr berichtete ihre Enkelin Gabriele Lübke: Rosa Schillings war eine Frau, die durch persönliche Schicksalsschläge in die Maschinerie der nationalsozialistischen Psychiatrie geraten war und sich dort trotz aller Schikanen nicht beugen ließ. 1941 wurde sie in der Gaskammer von Hadamar ermordet. Rosa Schillings Mut, so Lübke, sei ein Auftrag an alle, die Enkelin, die Politik und an jeden und jede in der Gesellschaft zu mahnen, dass so etwas nie wieder geschehe. Der stellvertretende Leiter der Gedenkstätte Hadamar, Dr. Sebastian Schönemann, erinnerte an Auschwitz als Symbol des nationalsozialistischen Massenmords und deshalb sei der Tag des Gedenkens bewusst der Tag der Befreiung dieses Konzentrationslagers. Zudem stellte Schönemann die Biografien der Opfer Wilhelmine Freckmann und Georg Brönner vor und betonte, dass die Erinnerung nicht nur auf die Vergangenheit verweise, sondern vielmehr ein Auftrag für Gegenwart und Zukunft sei.
Auf die gesellschaftliche Verantwortung verwies ebenfalls Ministerpräsident Boris Rhein: „Die Erinnerung an die Opfer des Holocaust ist untrennbar verbunden mit einer Besinnung auf unsere gemeinsamen Grundwerte wie Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte und die Würde des Menschen. Diese Grundwerte müssen gerade in Zeiten, in denen autoritäre Sehnsüchte und Verschwörungstheorien Konjunktur haben, immer wieder aufs Neue verteidigt werden. Es ist unser aller Pflicht, dafür zu sorgen, dass Antisemitismus und Rassismus keinen Platz in unserer Gesellschaft haben.“
Das Schlusswort sprach die Präsidentin des Hessischen Landtages, Astrid Wallmann. Sie sagte: „Solange jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger und Institutionen in unserem Land noch polizeilich geschützt werden müssen, solange jüdisches Leben bei uns bedroht ist, solange sich gesellschaftliche Minderheiten Hass und Gewalt ausgesetzt sehen – solange dürfen wir als Gesellschaft und als Politik nicht ruhen, sondern müssen unmissverständlich und klar Haltung zeigen und alles dafür tun, dass sich diese Zustände ändern. Dessen, was wir am 27. Januar gedenken, ist eine Verantwortung und Verpflichtung zum Erinnern und Handeln für alle Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Der 27. Januar muss ein Tag des lebendigen Erinnerns bleiben, er muss auch weiterhin emotional und intellektuell fordern und aufrütteln. Das ‚Nie wieder!‘, dessen Gebrauch selbst Gefahr läuft, als schnell gesetzter Hashtag in den sozialen Medien zur Phrase zu werden, müssen wir in seiner Bedeutung, ja in seiner Verpflichtung für unsere Gegenwart unvermindert ernst nehmen. Es ist mein Wunsch, dass das lebendige Erinnern an diese Vergangenheit eine Zukunft hat.“
Musikalisch umrahmt wurde die Gedenkfeier vom Streichquartett Quasi Quartetto.
Hintergrund
Der 27. Januar wurde 1996 als "Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus" in der Bundesrepublik Deutschland vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog ins Leben gerufen. Der nationale Gedenktag erinnert an den 27. Januar 1945, den Tag, an dem die Rote Armee die Überlebenden des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau befreite.
Auschwitz-Birkenau war das größte Vernichtungslager des nationalsozialistischen Regimes. Mehr als 1,1 Millionen Menschen wurden hier in den Jahren 1940 bis 1945 von den Nationalsozialisten ermordet. Zum Gedenken an den Holocaust und die Opfer erklärten im Jahr 2005 auch die Vereinten Nationen den 27. Januar zum Internationalen Gedenktag.
Die landesweite Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus wird in Hessen gemeinsam von Hessischem Landtag, Hessischer Landesregierung, Landeswohlfahrtsverband Hessen, Hessischem Städtetag, Hessischem Städte- und Gemeindebund und Hessischem Landkreistag getragen.
(Pressemitteilung LWV Hessen)